PRESSESPIEGEL
BONNER GENERALANZEIGER vom 5.4.2000
Seite: Feuilleton Autorin: Christina zu Mecklenburg


GEHEIMNISVOLLE BEGEBENHEITEN IM TREPPENHAUS

Ausstellung: "Songs for boys and girls" : Max Diel und Raven Schlossberg in der Galerie Schneider

Gleich zwei Ausstellungen, die den Betrachter auf lebhafte Weise in eine Konfrontation mit jungen Positionen aktueller Malerei verwickeln, sind derzeit in der Galerie Michael Schneider zu sehen. "Songs for boys and girls" macht auf neue Bildformen bei der Amerikanerin Raven Schlossberg und dem gebürtigen Freiburger Max Diel aufmerksam. Der Meisterschüler von Kuno Gonschior läßt den Betrachter erst einmal vermuten, er habe seine "Treppenbilder" als ortsbezogene Installation entworfen. Aber die Treppe, Tatort von dramatischen Begegnungen oder mysteriösen Begebenheiten, so stellt sich heraus, ist nur ein Angelpunkt im Mythos Alltag, der Diel schon seit geraumer Zeit fasziniert. Er folgt ihm auf einem Streifzug durch die Straßen; er sieht ihn aufscheinen in Fotos und in Filmstills oscarprämierter Dauerbrenner. Bei Schneider verschachtelt sich nun die Schau im Treppenhaus mit der konkreten Bildinszenierung. Diels Montage operiert auf mehreren Ebenen. Plastisch sichtbar wird sie im offen gehaltenen Rahmen, der das Einfügen einzelner Bauteile aus Spanholz erlaubt; erreicht wird hierdurch die Dreidimensionalität des verhalten farbigen Bildobjektes. Darüber hinaus arbeitet Diel mit Rückenfiguren, nicht erkennbaren oder nur ausschnitthaft vorgeführten Gestalten. Abstrakte Versatzstücke signalisieren eine metaphorische, imaginative Ebene. Diels gestischer Farbauftrag korrespondiert mit der Dramatik seiner dargestellten Sujets ("Flucht" 1999, "Treppe und Leichnahm", 1998).

Bei Schlossberg führen das spontane Agieren mit Farbspray und die mit dem Stohhalm geträufelte Farbe in die abstarte Bildwelt kalligraphischer Chiffren. Bisweilen ahnt man die Silhouette figürlicher Elemente, Umrisse, die auf die Präsenz von Schlossbergs Leitmotiv des ambivalenten Clowns schließen lassen. Im dicht gestalteten Bildraum finden sich verstreute Zitate der in New York lebenden Künstlerin: kryptische Piktogramme, Motive aus Modekatalogen, Poesiealben, Werbung und die charakteristischen Zeitungsschnipsel aus Chinatown. Forsch und fast gnadenlos werden diese als Ornament oder Dekor einem vehementen Malprozeß untergeordnet.