2019
Blu Magazin, März 2019, "Versuchter Brückenschlag", Michael Rädel
2018
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Sommerrätsel, 29.07.2918,S. 54/55 Wissenschaft von Jochen Reinecke
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Auflösung des Sommerrätsels, 02.09.2018, S. 62 Wissenschaft von Jochen Reinecke
Kölner Stadtanzeiger, 2018
Katalogtext "Gedanken zu einer Malerei des Dazwischen" von Dr. Andreas Beitin
Rik, Köln/Düsseldorf, Max Diel in Köln, August 2018, Michael Rädel
Wohndesign, Ausgabe 2/2018, S. 34, Dr. Stephan Demmrich
2016
ECORCHE, Text: Max Diel
Basler Zeitung, Rundgang in den Galerien Laleh June, mitart und Graf+Schelble, Samstag, 3. Dezember 2016, S.16 Kultur, Text: Annette Hoffmann
Ausstellungskatalog, Istanbul:Freiburg, Ayse Umur/Agah Ugur collections: Museum für Neue Kunst, Text: Isabel Herda S.11,68,69,155
Blu Magazin, Max Diels Ecorché, Juli 2016, Ausgabe 16, S.12 Stadtgespräche
2015
Ausstellungskatalog, "wie ben jij?", CBK Zeeland, Middelburg, NL, Text: Sandra Smets S. 2,11,12,13,14
2014
Die kleinen Details machen das Werk, Hinnerk Magazin, S. 52 Kunst, Interview: Michael Rädel, Juni 2014, Ausgabe 248
2013
Katalogtext "Bilder in der Schwebe halten", Künstlergespräch mit Dr. Heinz Stahlhut (Berlinische Galerie), 2013
Pressetext "Ortstermin 2013" und "Kunst jetzt Draussen!"
2011
Badische Zeitung
Malerische Frühjahrskollektion, Berliner Abendblatt
2010
Museumskatalog, Museum für neue Kunst, Freiburg, Text: Christine Moskopf
Spurenlesen 3, Religionsbuch für die 9./10. Klasse
2009
VERNISSAGE Rheinland
Gebser Rundbrief, Informationsblatt der JGG, Editorial Dr. Rudolf Hämmerli
Veränderte Welten, Bonner Rundschau
ICI Berlin, Ausstellungskatalog und Pressetext, Dr. Andrea Weber / Dr. Ralf Hartmann
Malerei: Max Diel
2008
"Ein Teil seiner Selbst", Pressetext zur Ausstellung, Walter Schelble, 2008
Phantombilder, Katalogtext von Dr. Reinhard Ermen
2007
Pressespiegel zur Regionale8
2006
Zu meiner Malerei
Zwei ernsthafte Schalke bei Stefan Denninger, Die Welt, 2006
Gut unterwegs, FAZ , 2006
Durchsagen: Stadtkerle, Online-Journal der Zeit, 2006
Die Figur hat etwas Ordnendes, Baseler Zeitung, 2006
Frühkunst: Max Diel, Badische Zeitung, 2006
Effekte, Körper, Gesten, Skizzen, Posen, Main Echeo Bayern, 2006
Blicke in eine fremde Welt, Bonner Generalanzeiger, 2006
2005
Unschätzbare Gemälde, Bonner Generalanzeiger, 2005
Leben im Augenblick, Pressetext zur Ausstellung "Berlin Painting", 2005
Gemalte Schrecksekunde, Bonner Generalanzeiger, 2005
2003
"Bildfindung", Ausstellung mit Werken von Max Diel, Faltblatt des SWR Studio Freiburg, 2003
"The Split Inside", Eröffnung MAE Galerie 16.05.03, Redemanuskript von Dr. Ralf Hartmann
Kleine Tupfer an den Nasen, Badische Zeitung, 2003
2002
Im Zwielicht, Katalogtext zur Ausstellung "Im Zwielicht", 2002
Enthusiasmus führte zum Erfolg, Kölner Stadtanzeiger, 2002
Max Diels meisterhafte gemalte Thriller, Bonner Generalanzeiger, 2002
Niemandsland der Malerei, Bonner Rundschau, 2002
2000
Geheimnisvolle Begebenheiten im Treppenhaus, Bonner Generalanzeiger, 2000
Gas geben: Junge Kunst bei Schneider in Bonn, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2000

Die menschliche Kulturgeschichte kann als eine Geschichte der wiederkehrenden Abfolge von Aktion und Reaktion, von These und Antithese gelesen werden. Mit dem 19. Jahrhundert ging ein Jahrhundert der Utopien, des Scheins, der Illusion zu Ende – zumindest in der Kunst. Der Impressionismus beendete mit seinen Lokalfarben die feinmalerisch-glatte, illusionistische Salonmalerei. Die Architektur brachte am Beginn des 20. Jahrhunderts (wieder) eine Hinwendung zu einer funktionalistisch nachvollziehbaren Konstruktion von Gebäuden, die ohne Dekor, Verblendung mithin Verschleierung ihrer tragenden Elemente auskam, was in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder von verspiegelten Architekturen rückgängig gemacht worden ist. Auf die figurative folgte die abstrakte beziehungsweise konkrete Malerei, deren Pendel dann später wieder zur fotorealistischen Malerei ausschlug. Während in den 1920er-Jahren der abstrakte Farbfilm eine absolute Avantgarde darstellte, erlebte das auf höchste Illusion abzielende 3D-Kino in den 1950er-Jahren einen ersten Höhepunkt. Zahlreiche weitere Beispiele für diese bewusst sehr vereinfacht dargestellte Sichtweise auf die Entwicklung der Kunst ließen sich leicht ergänzen.

Das Fach der Malerei gehört am Anfang des 21. Jahrhunderts in der bildenden Kunst sicherlich zur schwersten Disziplin, da bereits anscheinend alle möglichen Variationen von einer hyperrealistischen Feinmalerei bis hin zu einer Malerei, die alle Abbildlichkeit und auch das Medium selbst negiert, durchdekliniert worden sind. Neben einer Malerei, die auf digitale Techniken und Medien reagiert oder diese mit einbezieht, gehört eine Malerei, die im Reich des Dazwischen agiert und oszillierend zwischen Abstraktion und Figuration unverkrampft hin und her pendelt und dabei ein räumliches Vexierspiel veranstaltet, zu den interessanteren Ausprägungen.

Max Diel gehört fraglos zu einer Generation junger bildender Künstler, die es auf eine intelligente Weise verstehen, zum einen in diesem Reich des Dazwischen zu laborieren, wozu auch das Vexierspiel der Verschränkung von Innen- und Außenräumen gehört. Zum anderen betreibt er eine Malerei, die auf dem künstlerischen Schaffen ihrer Vorgänger aufbaut und aus deren konzeptuellen Ansätzen und Bildstrategien die entsprechenden Rückschlüsse zieht und diese in sehr eigenständige, innovative und überzeugende Bildfindungen überträgt.

Das Werk von Max Diel zeichnet sich dabei durch eine Ehrlichkeit und Direktheit aus, mit welcher es der Künstler versteht, seine Gefühle und seine Sicht der Dinge auf die Leinwand zu bannen. Nicht selten bildet dabei eine gewisse Melancholie den Grundton der Atmosphäre, in welche die Bilder getaucht sind. Die Protagonisten, welche die Gemälde von Max Diel bevölkern, sind häufig ausschnittartig und nicht selten in einer nach innen versenkten Haltung zu sehen. Die Körpersprache suggeriert eine in sich gekehrte Befindlichkeit, wodurch es scheint, als sähe man in das Innere des Menschen hinein. Dies verblüfft umso mehr, als Max Diel eher selten Porträts malt und es vielmehr vorzieht, eine anonymisierte, teilweise verdeckte Sicht auf seine dargestellten Charaktere zu gewähren.

Das malerische Werk von Max Diel ist motivisch nicht nur in den Grenzbereichen von Außen und Innen angesiedelt, sondern auch zwischen Wasser und Land verortet, es spielt sich zwischen Figuration und Abstraktion, zwischen Realität und Irrealität bzw. Surrealität ab. Dieses Dazwischen ist kennzeichnend für sein Werk und darüber hinaus Ausgangspunkt zu einer vertiefenden Bilderkenntnis, die einerseits das Bild – trotz der perspektivischen Brüche und der eingebauten, abstrakten „Störfaktoren“ – als illusionistischen Ausblick gelten lässt und zugleich durch seine materielle Manifestation das Bild in seiner zweidimensionalen materiellen Beschaffenheit entlarvt.

Formal betrachtet beherrscht Max Diel das postmodernistische Spiel des Jonglierens mit Bildzitaten und Anspielungen an die doppelte Beschaffenheit des Gemäldes: das klassische Tafelbild, welches einerseits als Malgrund für eine bildillusionistische Malerei dient, andererseits aber immer auch faktisches Objekt ist. Hier kommt nicht selten die Collage zum Einsatz. Sie behauptet sich mit großer Selbstverständlichkeit neben der Malerei und der Zeichnung. Die Malerei erscheint im Werk im Grenzbereich von Malerei und Zeichnung – so wie man es z.B. auch von Edward Munch oder Max Beckmann kennt. Wie bedeutsam das Linienhafte in seinen Bildern ist, wird beispielsweise immer wieder durch verschiedene Muster, Strukturen und Gewebe deutlich, die in vielen Werken zu finden sind. Max Diel erwähnte einmal in einem persönlichen Gespräch: „Zeichnung kann für mich grundsätzlich alles sein: Collage, Schnitt oder Riss, Kratzspur etc. Immer dort, wo wir es mit dem Phänomen „Spuren“ zu tun haben, ist das Prinzip der Zeichnung präsent. Auch die Malerei bedeutet für mich lediglich die Weiterführung dieser Spurensuche. Letztlich ist Malerei nichts anderes, als Zeichnen mit Pinsel und Farbe.“

Der Begriff „Spurensuche“ kann dabei als kennzeichnend für Diels Haltung zur Malerei betrachtet werden. Er vereint in seinen Gemälden eine ganze Reihe unterschiedlicher Bildquellen, welche Inspirationsmomente aus dem Alltagsleben widerspiegeln. Das Auf- spüren und Festhalten dieser Momente mit der Digitalkamera ist ihm dabei genauso wichtig, wie der Gebrauch von Postkarten oder Zeitungsfotos. Diel sammelt regelrecht Material und prüft, ob es bei näherer Betrachtung Grundlage für ein Gemälde sein bzw. werden kann. Im Laufe des Arbeitsprozesses, der einer Reise in Innere gleicht, werden innere Bilder mit den äußeren ins Ganze gebracht und zu einem Gemälde verschmolzen. Nicht selten greift Diel auch auf Reproduktionen von Meisterwerken der Kunstgeschichte zurück. Sie werden ebenso selbstverständlich verarbeitet, wie das übrige Bildmaterial und formieren sich auf seinen Gemälden zu einer Art „Bild im Bild“, gleich- sam einer geistigen (mentalen) Collage.

Die gängigen Zeichentechniken wie Lineares Zeichnen, Skizzierendes Zeichnen, Darstellen von Volumen und Tonalität etc. beherrscht Max Diel ebenso souverän, wie den gekonnten Umgang mit Holzkohle, Blei- und Farbstift, Pastell usw. Hiervon zeugen seine zahlreichen Skizzenbücher, sowie die Kohlezeichnungen, welche sich auf seinen Gemälden wiederfinden: Diese kommen immer dann zum Einsatz, wenn ein neuer Bildentwurf ausprobiert wird. Hier zeichnet Max Diel mit der Holzkohle – häufig auch modellierend – in die frische Ölfarbe hinein, was zu einer Verdichtung von Zeichnung und Malerei führt. Die Grenzen zwischen Malerei und Zeichnung werden durchsichtig, so, wie überhaupt das Durchsichtigwerden von streng abgegrenzten Kategorien ein Grundanliegen des Künstlers zu sein scheint. Somit verwundert es nicht, dass Max Diel in seinen Bildern motivisch immer wieder das Material Glas oder Folie verwendet, als Material des Übergangs, des Dazwischen.

Andreas Beitin

Als ich die Vertretungsprofessur für Zeichnen und künstlerische Anatomie vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Möglichkeiten der Zeichnung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig angeboten bekam, bedeutete dies für mich eine gezielte Auseinandersetzung mit den Themen: Zeichnung, Zeitgenössische Kunst und Künstleranatomie. Letztere war mir im Grunde wesensfremd. An den Akademien, an denen ich in Amsterdam und Berlin in den 90er Jahren studiert hatte, gab es dieses Fach nicht. Man hielt dies schlicht nicht für zeitgemäß. Ich mußte mir also einen eigenen Umgang mit dem Thema erschließen. Welche Quellen von Leonardo oder Vesalius sind noch oder wieder aktuell? Was hat Picasso, der sich in den 30erJahren verstärkt mit Vesalius auseinandergesetzt hat, aus diesem Thema gemacht? Was tragen Zeitgenossen, wie z.B. Damien Hirst zu diesem Thema bei?

Schnell merkte ich, daß ich meine eigene künstlerische Arbeit nicht von der Arbeit an der Hochschule trennen konnte. Aufgaben, welche ich mir für die Studierenden überlegte, wollte und sollte ich zunächst einmal selbst im Atelier ausprobieren. Das eigene Atelier wurde sozusagen zum Labor für die Arbeit an der Hochschule und die dortige Arbeit wirkte sich wiederum auf mein künstlerisches Schaffen aus.

Die Ausstellung Ecorché in der Galerie Lehr präsentiert nun die Ergebnisse dieses 2jährigen Prozesses.

Das Bild: AnatoMe (groß) von 2015 bezieht sich auf eine künstlerische Auseinandersetzung mit den Künstlern Jasper Johns und Edward Munch. Ich hatte zuvor in dem Bild Dancers on a plane (2014) ein Gemälde gleichen Namens von Jasper Johns aufgegriffen. Dieser wiederum hatte in einem anderen Bild mit dem Titel between the clock and the bed das Gemälde von Munch: Selbsportrait zwischen Uhr und Bett (1940-43) zitiert.

Als ich mich dem Thema des Ecorché Modells (künstlerische Bezeichnung für einen gehäuteten "Muskelmann") zuwandte, war ich noch ganz unter dem Einfluß von Jasper Johns Strukturbildern und sah zwangsläufig Parallelen zwischen Johns abstrakten Strukturen und dem Bündel von Muskelsträngen, welche, von ihrem funktionalen Kontext befreit, ebenfalls abstrakt wirken.

Die klassische Darstellung eines Ecorché Mannes mit auswärts gedrehtem Arm, wie man sie in zahlreichen medizinischen Lehrbüchern vorfindet, hat für mich stets einen starken "Ecce Homo" ("Hier ist er, der Mensch!") Effekt, begleitet von ikonographischen Assoziationen von Jesus Darstellungen.

Wenngleich der abgebildete Mann mir selbst nicht ähnelt, (tatsächlich orientierte ich mich beim Portrait an einer Aufnahme von Alan Delon aus dem Film M.Klein von 1975/76) so sehe ich darin doch so etwas wie ein Selbstbildnis, was sich auch im Titel AnatoMe ("Me" im Sinne von "Ich") wiederspiegelt. Gleichzeitig verweist das Bild auf Munchs besagtes Selbstportrait zwischen Uhr und Bett - hier stellt Munch sich selbst zwischen Uhr und Bett dar - die Uhr zur Linken und das Bett zur Rechten seiner selbst. Munch führt auf diesem Bild so etwas wie einen Klassiker in die Zeitgenössische Kunst ein. Das abstrakte Muster der Bettdecke, welches ich mit veränderten Farben auch in mein Bild aufgenommen habe, hat seit jeher Künstler wie Jasper Johns, Günther Förg oder TalR inspiriert.

Zwar fehlt in meinem Bild die Uhr, doch ist immerhin das Bett übriggeblieben und da es direkt hinter dem Protagonisten des Bildes steht, könnte man sich vorstellen, dass sich die Uhr im Raum des Betrachters, also außerhalb des Bildraums befindet. In diesem Fall schaute der Ecorché-Mann quasi aus dem Bild heraus auf eine Uhr.

Inhalte sind in meinen Bildern niemals monokausal. Ich folge eher einer Aussprache Erik Fischl`s, welcher sagt "Painting is a process by which I return my thoughts into feelings". Die Überlagerung diverser Gedanken und Assoziationen, welche scheinbar zufällige Begegnungen von Inhalten und Verweisungen ermöglicht, ist ein Grundanliegen meiner Malerei. So spielt der Aspekt der Häutung, der sich im Ecorché Thema vordrängt, natürlich auch eine symbolische Rolle. Sich Blöße zu geben und Inneres nach Außen zu kehren, hat zahlreiche Künstler, von Francis Bacon über Clemente und Chia bis hin zu Maria Lassnig und Marlene Dumas oder Hernan Bas immer wieder angetrieben und im bildnerischen Schaffensprozess bestärkt. Munch selbst erscheint dabei als eine Art "Übervater" dieser psychologisierenden Kunstgattung.

Auf formaler Ebene wird der Prozess der Häutung durch die Collage reflektiert. Hier trage ich überarbeitete, d.h. überklebte und übermalte Bildfragmente vorsichtig mit dem Cutter-Messer ab, (gleichsam wie ein Chirurg mit dem Skalpell) und lege zugrundeliegende Schichten von Farbe, Papier und Leinwand frei.

Das Thema der Darstellung und seine bildnerische Umsetzung sind in diesem Fall identisch. Beschränkt sich dieses Vorgehen in AnatoMe noch auf das Gesicht des Protagonisten, so ist es bei Ecorché am Wasser der gesamte Körper, der aus zahlreichen Papierschichten und gehäuteten Ebenen besteht und das Thema der Häutung zum vordringlichen Thema des Bildes überhaupt macht. Formale Referenzen an Papiercollagen eines Raymond Hains sind durchaus gewollt und möglich.

Um eine Analogie ganz anderer Art handelt es sich bei dem Bild Ecorché/Gerüst. Verfallene Gründerzeitviertel rund um Leipzigs Altstadtkern werden derzeit aufwändig renoviert. Dabei verwandeln die großflächigen blauen Abhängungen vor den Fassaden ganze Straßenzüge in Farbinstallationen. Hier spannt sich so etwas wie eine art Haut vor das Gebäude und läßt die Grundstruktur des Hauses bzw das Baugerüst wie ein Skelett oder eben ein Ecorché wirken. Diesen Gedanken habe ich in dem Bild Ecorché/Gerüst, welches zum Kartenmotiv für die Ausstellung wurde, aufgegriffen.

Der Betrachter des Bildes schaut quasi von Außen in das Innere des Menschen, sowie in das Innere des Gebäudes hinein und gemeinsam mit diesen auch wieder aus dem Bild und dem Gebäude heraus.

Max Diel, März 2016

Bilder in der Schwebe halten“

Künstlergesprächzwischen

Max Diel und Dr. Heinz Stahlhut, Berlinische Galerie

HS Dann erzähl uns doch etwas darüber, wo Deine Anfänge liegen. Wie bist Du überhaupt zur Malerei gekommen?

MD Im Grunde begleitet mich die Malerei schon mein ganzes Leben lang. Doch wirklich ernst wurde es, als ich zum Zivildienst nach Amsterdam ging, um dort mit Drogenabhängigen zu arbeiten. Ich hatte mir das alles ganz großartig vorgestellt, bin aber erst mal in ein Loch gefallen. Da habe ich dann nachts gemalt, während ich tagsüber gearbeitet habe.

In der Zeit hatte ich auch mein Coming Out.

Da erlebte ich in der Malerei dann plötzlich eine ganz neue Sinnfülle – unabhängig von Hobby oder dass es Spaß macht. Die Malerei gab mir so etwas wie Halt oder Inhalt im Leben. Und dann habe ich auch beschlossen, ernst zu machen und das zu studieren.

HS Da hätte ich gleich zwei Fragen: Was hast Du gemalt in dieser Zeit, bevor Du wirklich professionell angefangen hast zu studieren? Und womit hast Du Dich da befasst?

MD Das waren „Fensterbilder“. Da habe ich die Situation zuhause, d.h. mein Ausblick aus dem Fenster gemalt. Mich hat dabei stets der Außenraum, der Innenraum und dann manchmal auch die Glasscheibe dazwischen interessiert. Wenn diese z.B. verschmutzt war, dann war mir das ein Anliegen, diese verschmutzte Scheibe darzustellen. Oder die Spiegelung des Innenraumes im Glas. Mich haben diese Fragen damals ziemlich stark beschäftigt: Außenwelt / Innenwelt. Wie viel will ich eigentlich preisgeben nach außen? Wie viel sollen Menschen von mir wissen? Und das habe ich in diesen Fenstern immer so ziemlich 1:1 gesehen. Also Innenraum / Außenraum – und die Grenze dazwischen.

HS Und als Du in Amsterdam warst, hast Du da auch ältere Kunst im Museum angeschaut? Warst Du früher oft im Museum oder hat Dich das nie gereizt?

MD Ich glaube, dass ich damit nicht so viel anfangen konnte. D.h. ich hatte schon lange eine Faszination für Kunstgeschichte, das fing so mit 15 an, betraf aber eher die Moderne. Und das war ganz klassisch: Dali und der ganze Surrealismus. Nach und nach bin ich dann aber auch zu Van Gogh und Picasso gekommen. Das hat mich dann alles ziemlich schnell ereilt.

HS Auf den Surrealismus können wir ja dann später noch mal zu sprechen kommen. Das würde mich schon noch interessieren, ob da was von dieser Faszination geblieben ist. Aber erzähl doch mal so ein bisschen etwas über Dein Studium. Was Du da gemacht hast. Wie ging es dann weiter?

MD Ich habe mich in Amsterdam an der Rietveld Akademie beworben und bin dort dann auch angenommen worden. Das Basisjahr war ein ganz wichtiges Jahr, weil man alle Disziplinen der Schule einmal komplett durchlaufen hat. Das war der Anspruch, dass man nicht zum Fachidioten ausgebildet wird, sondern alles mal gemacht hat. Und das war eigentlich eine sehr spielerische und prägende Zeit. Da habe ich natürlich irgendwann auch die abstrakte Kunst kennengelernt. Wir hatten einen Mentor, mit dem wir alles besprachen und der sagte zu mir in der ersten Unterrichtseinheit: „Es gibt ja auch die abstrakte Kunst.” Und ich dachte wirklich - und sagte das dann auch: „Ja, aber das ist ja Verarschung”. Ich dachte damals wirklich, das sei nicht ernst gemeint. Er musste lachen, weil er selber abstrakter Maler war und sagte: „Nee, nee, das ist schon ernst.” Er hat mich dann herangeführt an die abstrakte Kunst. Und so habe ich irgendwann auch Ellsworth Kelly und Ähnliches zu schätzen gelernt.

HS Und in Holland doch natürlich De Stijl vor allen Dingen, oder?

MD Genau. In Holland hatte das natürlich damals, in der Zeit, eine enorme Tradition. Gerade De Stijl und Piet Mondrian. Und dann gab es natürlich auch Jan Schoonhoven und diese ganzen Zero-Künstler. Die waren unglaublich stark vertreten.

Ich habe zwar geometrisch – kann man fast sagen – gearbeitet. Aber für mich blieb immer ganz stark der Sinneseindruck maßgebend. Ich hatte nie so ein ausgereiftes Konzept. Sondern ich habe eigentlich jeden Tag ein ganz anderes Bild gemalt. Das war auch oft ein Kritikpunkt. Sowohl in Holland als auch später in Berlin, wohin ich dann gewechselt bin. Es musste eine Art „überbordendes Konzept” dastehen. Und dem habe ich mich eigentlich immer verweigert. Die Handschrift selber musste für mich das Bindeglied sein. So ein bisschen wie man das bei Raoul De Keyser sehen kann. Und was auch wichtig war: Ich bin ja regelmäßig nach Freiburg gefahren, wo ich herkomme. Und ich habe dann das, was ich in Amsterdam gelernt hatte, auch im süddeutschen Kontext wieder vorgefunden. Und es kam mir dann so vor, als ob es da noch mal eine andere Art gibt, mit denselben Inhalten umzugehen.

HS Und zwar?

MD Eine sinnlichere, würde ich schon sagen. Die holländische Kunst ist für mich ganz stark auch das „Spiel mit den Illusionen”.... diese optischen Verwirrspiele.... das Trompe l´oeil. Das spielt ja gerade in der alten niederländischen Malerei eine große Rolle....und auch: dieser große Himmel. Eben dieses Spiel mit Wirklichkeit und Realität. Und in der süddeutschen Kunst fand ich doch viel mehr die Sinnlichkeit der Farbe und Materialien anderer Art. Und auch eine gewisse Ästhetik und ein Wohlfühlen bei der Ästhetik, was in Holland gerne unter Generalverdacht stand.

HS Also „schön malen”...?

MD Das „schöne Bild”, also das war in Holland völlig tabu. Eine gängige Redewendung an der Akademie war: „Oppassen dat het niet mooi wordt“.... „Pass auf, dass es nicht schön wird.”

HS Das haben die wirklich gesagt?

MD Ja. Das war status quo. Da bekam man richtig Stress. Und ich bin, weil ich es wichtig fand, auch Aktzeichnen zu lernen, an die Modeabteilung der Rietveld gegangen, um dort Aktzeichnen zu lernen. Aber das musste ich mehr oder weniger geheim halten. Da bekam man Stress, wenn das rauskam.

HS Interessant!

MD Im Grunde habe ich damals auch gar nicht kapiert, dass die Rietveld eine recht experimentelle, konzeptuell ausgerichtete Schule war und dass ich auch nach Leipzig hätte gehen können, wo es völlig anders zugegangen wäre ...all das dass habe ich ehrlich gesagt mit Anfang 20 gar nicht so genau begriffen.

HS Aber dann bist du ja doch von Amsterdam weggegangen und bist dann nach Berlin gekommen.

MD Genau. Das war 1996. Es fand damals schon so eine Art Künstlerbewegung nach Berlin statt. Also das waren die Neunzigerjahre. Da gingen viele nach London. Und nach Berlin. London war eigentlich der „Hot-spot” damals. Das war die Zeit der „Sensation“-Kunst. Aber viele Junge gingen auch damals schon nach Berlin.

HS Und hattest Du da schon ganz konkrete Vorstellungen davon, warum du nach Berlin gehst? Waren das eher private Gründe oder war das wirklich auch künstlerisch? Denn es gibt ja in Berlin eine Tradition von realistischer Kunst. Während man in Holland sagen kann: Da ist die Abstraktion und auch gerade diese geometrische Abstraktion stärker, ist das ja eigentlich in Berlin etwas, das sich nicht so durchgesetzt hat. Sondern hier gibt es ja, angefangen von Dada und Neuer Sachlichkeit doch eben so eine Tradition des Realismus und gegenständlicher Malerei. War das für Dich ein Grund, hier her zu gehen, oder nicht?

MD Nein! Also wenn, dann war das eher eine Abschreckung. Und ich wusste zu dem damaligen Zeitpunkt auch nicht, wo ich heute landen würde. Also ich habe wirklich mein ganzes Studium lang in der vollen Bandbreite bis zum letzten Tag ausgeschöpft. Es war ein privater Grund, muss ich sagen. Meine Mutter lag mehr oder weniger im Sterben. Und ich bin eigentlich auch ein bisschen ihretwegen hierher gekommen. Und dann ist sie auch gestorben. Es war dann so, dass ich an ihrem Totenbett versucht habe, den Tod künstlerisch zu verarbeiten. Und das ist mir mit den abstrakten Möglichkeiten nicht gelungen. Daraufhin habe ich wieder angefangen, figurativ zu arbeiten. Es war aber auch so, dass ich mich schon in Amsterdam unwohl gefühlt habe mit der Abstraktion. Ich hatte das Gefühl, ich kann das jetzt nicht bis in alle Ewigkeit so weiter machen.

Also... Sagen wir es mal so: Es war eine ganz intensive Phase. Zwei Jahre lang habe ich ganz intensiv, jeden Tag im Atelier an diesen abstrakten Bildern gearbeitet. Aber letztlich gab es dieses Bauchgefühl: „Ich bin Mitte 20. Das geht jetzt nicht ewig so weiter.” Vielleicht hätte ich noch mal den Raum erobern und Installationen machen können … Andererseits wollte ich immer Maler sein. Und so war es dann irgendwann naheliegend, den Tod meiner Mutter figurativ darzustellen. Und das habe ich dann eben gemacht. Allerdings war das auch wieder eine Zwischenphase. Danach kam wieder eine abstrakte Periode. Bis Ende der Neunzigerjahre war nicht klar, ob ich ein abstrakter oder ein figurativer Maler sein würde. Und ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe diesen Unterschied auch nie wirklich begriffen. Der war für mich nie wirklich da.

HS Darauf können wir vielleicht nachher noch kommen. Ich hätte da noch eine Frage. Magst Du darüber was erzählen, oder ist das zu privat, wie Du mit diesem Verlust umgegangen bist? Kann man das beschreiben, wie Du das dann konkret in Deinen Bildern verarbeitet hast?

MD Es war einfach so, dass ich generell, in verschiedenen Bereichen meines Lebens, die Präsenz meiner Mutter nach ihrem Tod unglaublich stark gespürt habe. Und in meinen Bildern tauchte sie eben auch auf. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, denn gelegentlich habe ich Fotos von ihr als Vorlagen für meine Malerei benutzt.

HS Und das war dann sozusagen eine Form von Abschied nehmen...- noch mal auf eine längere Zeit hin...?

MD Ja, vielleicht kann man das so sehen. Ich kann vielleicht dankbar sagen, dass es noch mal eine intensive Auseinandersetzung war. Letztes Jahr ist mein Vater gestorben, und da kam es mir auch so vor, als ob einem bestimmte Dinge im zwischenmenschlichen Verhältnis durch den Tod eigentlich erst wirklich bewusst werden können.

HS Gut, dann kommen wir noch einmal zurück zu dem, was Du vorhin angeschnitten hast. Dass es für Dich diesen Gegensatz zwischen „abstrakt” und „gegenständlich” eigentlich gar nicht gibt. Inwieweit löst sich das für Dich in Deinen Bildern auf? Ist das durch dieses „Pendeln”, wie Du es vorhin beschrieben hast? Und gibt es auch Phasen, in denen Du gegenständlich malst und dann eher Phasen, die abstrakt sind? Ist das eine Abwechslung oder hast Du das Gefühl, dass in Deinen Bildern selber diese beiden Pole zusammenkommen?

MD Letzteres würde ich sagen. Ich meine, es ist so, dass dieses Pendeln während meiner ganzen Ausbildung da war. Aber als ich dann irgendwann mal fertig war mit dem Studium und ich mich allein in meinem Atelier wiedergefunden habe, da waren es doch nur noch die figurativen Bilder, die übriggeblieben sind. Und da kann man die Jahrtausendwende als Richtlinie nehmen. Seit 13 Jahren habe ich eigentlich nur noch figurative Bilder gemalt.

Dabei geht es letztlich um eine Art „Fusion” oder „Synthese”. Also während ich arbeite, ist oft nicht klar, was auf dem Bild zu sehen sein wird. In diesem Sinne gibt es zwar bestimmte Vorstellungen und oft sind diese auch klar definiert, aber im Grunde arbeite ich ziemlich lange an einem Bild, so, als wäre es ein abstraktes Bild. Und oft ist es auch so, dass durch eine bestimmte Übermalung, indem ich irgendetwas einfach wegstreiche, sozusagen „verneine“, das Bild gleichzeitig überhaupt erst entsteht.

Hier haben wir jetzt z.B. das Bild Papagaien (S. 33). Das ist so ein Bild, wo der Gegenstand immer wieder mal da war. Und dann war er wieder weg ...und dann wieder da! Was bleibt, ist dieses klassische Oszillieren zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, wie man es ja mittlerweile auch von Marlene Dumas und Luc Tuymans her gewohnt ist.

HS Und was ist dann der Auslöser für ein Bild? Siehst Du irgendwelche Fotos?

MD Also meine Digitalkamera ist wie ein Skizzenbuch. Damit sammle ich einfach Eindrücke. Und ich habe stets einen ganzen Stapel Fotos im Atelier. Wenn ich arbeite, gibt es richtiggehend „Pfade” von Fotos, die auf dem Boden verstreut sind. Und plötzlich habe ich eines in der Hand und versuche, mir etwas auf der Leinwand dazu vorzustellen, und folglich geht der Prozess in eine bestimmte Richtung. Manchmal bleibe ich aber auch sehr nah an der Vorlage.

HS Das heißt: Es ist eigentlich immer ein Seheindruck der Ausgangspunkt für ein Bild. Nicht ein Bild, das jetzt konstruiert…

MD …oder ganz intuitiv gefühlt wird. Nein, es ist schon immer etwas da, was ich gesehen habe. Also jetzt hier hatte ich z.B. eine Postkarte mit Papageien darauf.

HS Und Du lässt Bilder ja eben häufig in so einem Zustand von „Unbestimmtheit”. Darum habe ich nach dem Surrealismus gefragt. Der arbeitet ja auch mit Unbestimmtheiten, die für den Betrachter sehr viel offen lassen. Ist das etwas, was Dich reizt? Bilder so in der Schwebe zu halten?

MD Genau. Im Grunde kann man eigentlich sagen, dass generell, Bilder in der Schwebe zu halten, egal ob zwischen figurativ oder abstrakt oder zwischen „Bedeutung“ und „nicht Bedeutung“, dass das ein ganz grundsätzliches Anliegen von mir ist.

Bei den Papageien war es z.B. so, dass ich mich fragte: “Ja, wieso jetzt eigentlich Papageien?” Und dann fiel mir plötzlich auf, dass da auch das Wort “Papa” drinsteckt. Und mein Vater war gerade gestorben. Also diese Zufälligkeiten, die dann mal einen Sinn haben, aber dann auch wieder keinen, das ist schon etwas, was mich antreibt. Und das lässt sich eigentlich auch 1:1 in einen Pinselstrich übersetzen. Denn der ist auch manchmal zufällig und dann doch wieder absichtlich gesetzt. Mal bildet er etwas ab, mal steht er nur für sich selbst...

HS Als ich das erste Mal vor Jahren bei Dir auf Atelierbesuch war, haben wir auch darüber gesprochen, dass es sich bei Dir um „Szenen” handelt, bei denen man gar nicht so genau weiß: „Was passiert da jetzt eigentlich?“ Manchmal hat es auch etwas Bedrohliches. Man weiß nicht genau: „Auf was blicke ich da ?“ Bei dem Bild Pyroman (S. 15) frage ich mich: „Was passiert da auf diesem Bild? Hat dieser Mann das Feuer selbst angezündet? Aber dann ist er eigentlich auch schon wieder bedroht, so wie er von diesen Flammen ganz eingeschlossen ist.”

MD Ja, zugleich ist er aber auch vollkommen ruhig. Ich mag auch diesen selbstreferenziellen Kontext. Dass die Silhouette des Mannes mit sehr viel Holzkohle gemalt ist und er gleichzeitig wie von Ruß eingeschwärzt erscheint. Das ist ja im Grunde auch ein abstrakter oder sagen wir mal konzeptueller Bildinhalt. Die Illusion des Bildes, die sich an der Realität des Bildes bricht. Das lässt sich auf vielen Ebenen durchspielen. Gerade wenn man mit Collagen zu tun hat - und ich arbeite ja viel mit Collagen. Übrigens: Das Hemd besteht zum Teil auch aus einer collagierten Fläche.

HS …Woraus collagiert?

MD Da hatte ich, glaube ich, ein Hemd auf Japanpapier abgedruckt. Das habe ich dann auf die Leinwand geklebt. Das sieht man oft bei meinen Bildern … Dass es auf der Bildoberfläche Strukturen von beklebten Leinwand- oder Papierresten gibt. Wenn man mit Collage zu tun hat, hat man ja immer mit dieser Thematik der Realität des Bildes zu tun.

Bei dem Bild Sleep II (S. 27), hätte ich das Bild natürlich auch so malen können, dass die Figur „naturgetreuer“ im Bett liegt, als dass sie – wie es jetzt den Anschein hat – schwebt. Dadurch wirkt das Ganze verfremdet, also ein stückweit irrealer, aber in meinen Augen eben auch spannender.

HS Es ist auch interessant, wie die Figur gänzlich unter diesem Muster der Streifen verschwindet…. Dass der Körper dadurch so ganz verloren geht. Denn man sieht ja gar nicht, was in diesem Haufen, der da unten liegt, eigentlich die Arme und wo die Beine sind?

MD Ich mag diese orange-grüne Stelle unterhalb des Knies. Dadurch entsteht ja dieser schwebende Eindruck. Mich erinnert das Ganze an einen Fiebertraum. Das ist natürlich nur zum Teil absichtlich geschehen. Ich habe mir nicht vorgenommen, eine Person zu malen, die im Fiebertraum liegt. Es ist vielmehr der Kitzel oder der Spaß an der Arbeit, Bilder zu malen und dabei etwas über sich selbst herauszufinden. Z.B. auch Erinnerungen aufzuwühlen. Als ich siebzehn war, hatte ich einen Blinddarmdurchbruch und lag mit sehr hohem Fieber im Bett. Man könnte dieses Bild also auch autobiographisch deuten.

HS Es sind ganz häufig Bilder, in denen die Figuren eben keinen direkten Blickkontakt mit dem Betrachter aufnehmen. Figuren, die sich abwenden oder schlafen. Oder wie die Frau, die auf dem Bild Twilight (S. 37) vor der Hausfassade steht und nach unten guckt. Und so weiter. Porträts sind das ja sowieso nicht.

MD Nein, im Grunde nicht! Es gibt zwar einige Porträts. Aber das ist dann gleich wieder ein Thema für sich. Ich finde es schwierig, ein Bild vor sich zu haben, das gleichzeitig Porträt und noch etwas anderes ist. Ein Porträt ist so zwingend… .

Bei dem Bild blue eyed (S. 57) haben zwei unterschiedliche Freundinnen von mir auf der Leinwand zusammen gefunden. Es handelt sich also nicht um die gleiche Person, die da abgebildet ist. Und das merkt man auch – aber gerade dieses Nichtpassen lenkt das Ganze in eine bestimmte Richtung: Dieses Gefühl sich selbst nicht im Spiegel zu erkennen. Im Grunde hat es fast kunstgeschichtliche Relevanz, wenn man z.B. an Narziss denkt, der sich im Spiegel nicht erkennt, wie auf dem berühmten Gemälde von Caravaggio.

HS Licht spielt auch immer eine ganz entscheidende Rolle.

MD Klar. Das ist –denke ich – das Riesenprivileg, das wir als Maler haben, dass wir Licht darstellen können. Das ist fast schon ein bisschen vermessen, aber da fühle ich mich manchmal wie Prometheus. Dass ich das kann und darf. Und dass es mir immer wieder passiert, dass das Bild, während ich male, diese Kraft hat.

Ich war letzte Woche in Amsterdam und habe Gemälde von Vincent van Gogh gesehen und ich war so geplättet von dem enormen Licht, das diese Bilder haben: Diese unglaubliche Strahlkraft, die davon ausgeht. Ich hatte das Gefühl, ich schaue auf einzelne Perlen oder Juwelen.

Das, denke ich, ist ein einziges Privileg! Das ist, als ob wir Gold machen könnten. So wie man auch sagen kann, dass man als Künstler Seele wiedergeben kann, was ja eigentlich auch etwas Unmögliches ist.

HS So wie du es beschreibst, sind es zwei ganz unterschiedliche Weisen, inwiefern man Licht in Bilder bringen kann. Einerseits, so wie bei diesem hier, dass man den Effekt von Licht wirklich darstellt und andererseits, was du bei Van Gogh beschrieben hast, das Licht zu kreieren über die Farbigkeit an sich. Und das kommt ja auch immer mal wieder bei Dir vor: diese Gegeneinanderstellung von Farben, die dann plötzlich aus sich heraus Licht erzeugen. Während z.B. bei Twilight eher dadurch Licht erzeugt wird, dass Du aufhellst oder bei den Haaren der Frau etwas weiß lässt.

MD Also Du meinst einmal mehr so eine Art Studiolicht? Oder wie würdest Du das beschreiben?

HS Nein, es gibt in der Kunstgeschichte ein berühmtes Buch von Wolfgang Schöne Das Licht in der Malerei. Er sagt, es gibt verschiedene Weisen, wie Licht in der Kunst erzeugt wird. Drei große Phasen: Einerseits das so genannte Sendelicht in der mittelalterlichen Malerei, die viel mit Goldgrund arbeitet, wo das Licht aus den Goldgründen heraus reflektiert wird. Dann gibt es das dargestellte Licht in der Zeit der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert, wo auf realistische Weise dargestellt wird, wie Licht auf einen Gegenstand fällt: Sei es eine Kerze, die irgendetwas beleuchtet oder die Sonne, die irgendwo außerhalb des Bildraumes steht und durch die Wirkung des Schattens sichtbar ist. Und dann gibt es spätestens im 19. Jahrhundert mit Van Gogh oder auch schon mit Delacroix diese Erzeugung von Licht aus der Farbe heraus. Das bekannteste Beispiel ist von Delacroix, der in seinen Aufzeichnungen beschreibt, dass er eine gelbe Kutsche gesehen hat und der Schatten war dann plötzlich lila. Durch das Zusammentreffen der Komplementärfarben steigern sich diese natürlich in ihrer Helligkeit und Dunkelheit gegenseitig. Und in diesem Fall wird Licht eben nicht mehr illusionistisch dargestellt, sondern es wird aus der Farbe heraus erzeugt.

MD …Ganz unmittelbar, genau.

HS Und das ist ja auch das, was Du machst: Beispielsweise in Deinem Feuerbild, dem Pyroman. Diese schwarzen Linien darin steigern ja nur die Leuchtkraft des Gelb und Rot durch diesen Gegensatz vom Schwarz zu den helleren Farben.

MD Also ich glaube, das spielt bei mir zunehmend eine Rolle: die reine Farbwirkung. Die Farbe als solches.

HS Und das ist auch schon eine Erklärung, wie es Dir gelingt, das Gegenständliche mit dem Abstrakten zusammenzubringen. Denn genau dieses Erzeugen von Helligkeit ist eigentlich eher eine abstrakte Qualität, die sehr viel mehr mit der Farbe an sich zu tun hat als mit einer perfekten illusionistischen Darstellung.

MD Sagen wir mal: Es ist bestimmt eine Bedeutungsebene, die ausgesprochen interessant ist. Für mich ist aber dieses psychologische Moment mindestens genauso wichtig. Das spielt bei dem Pyromanen natürlich auch eine Rolle: Feuer ist doch im Grunde „Seele pur“. Es weiß jeder: Man kann Stunden lang auf Glut gucken und wird ganz archaisch dabei. Kürzlich machte mich eine Freundin darauf aufmerksam, dass es sich bei dem Bild blue eyed um einen ganz bizarren Ort handelt, wo der Spiegel hängt... zumal er auch durch einen Vorhang verhängt ist. ...als ob die Frau auf dem Bild insgeheim, in einem verborgenen Winkel ihres Raumes versuchen würde, sich selbst zu finden. Und auch diese Zufälligkeiten, die ich vorhin schon angesprochen habe: Es sieht aus, als ob sie ein blaues Auge hätte. Das war zuerst gar nicht intendiert. Dadurch kippt das Ganze ins Abgründige.

Weißt Du...diesen Spiegel, den gab es wirklich: Der hing im Zimmer meiner Mutter. Dass er gebrochen ist, das hat auch wieder einen verneinenden Aspekt.

HS Der Spiegel ist ja auch die Metapher fürs Bild: Und wenn Du dann einen Spiegel einführst, der selber in seiner Funktion gestört ist, sagt das ja auch etwas über Dein Verhältnis zur illusionistisch-realistischen Malerei aus.

MD Da gab es ja diese Ausstellung: „Der zerbrochene Spiegel“. Die habe ich im ersten Fachjahr der Rietveld gesehen. Die Ausstellung wurde in Wien und Hamburg gezeigt. Das war Anfang der 1990er Jahre. Marlene Dumas, Luc Tuymans, aber auch Gerhard Richter, Polke und all diese Leute waren dabei. Es ging den Ausstellungsmachern um die Hinterfragung des Bildträgers – dass diese sozusagen schon akademisch verankert ist. So war das im Katalogtext von Hans Ulrich Obrist und Kasper König beschrieben … Daß im Grunde diese Mehrfachsprengung des Bilderrahmens akademisch verankert ist und trotzdem das Bild in seiner illusionistischen Fähigkeit noch erhalten bleibt oder wiedergefunden wird. Das war für mich eine ganz wichtige Ausstellung.

Übrigens waren abstrakte und figurative Maler gleichermaßen vertreten: Agnes Martin und Francesco Clemente z.B. Diese Ausstellung hat mich sehr geprägt. Der zerbrochene Spiegel als Thema: Das ist für mein Werk absolut wichtig und wird es auch noch auf geraume Zeit bleiben, weil es einfach ein Bereich ist, in dem es sich prima arbeiten lässt. Ich meine, auch der Vorhang vor dem Spiegel, den wir auf blue eyed sehen – der erinnert doch an eine Zeit, in der Tafelbilder noch mit einem Vorhang verhüllt wurden. Wenn man das Bild sehen wollte, musste man ihn zur Seite schieben.

HS Schwarzes Meer (S. 17) scheint mir ein typisches Bild zu sein, in welchem die verschiedenen Stadien der Verschlüsselung der Figur enthalten sind: Während dieser Junge eigentlich sehr realistisch und auf den ersten Blick sehr genau zu erfassen ist, ist die zweite Figur doch erst nach einigem Hinschauen aufschlüsselbar. Und die dritte Figur ist von der Erscheinung her zwar schon lesbar, aber dadurch, dass sie eingehüllt ist und so „zusammengezogen“, ist sie dann doch wieder überhaupt nicht greifbar.

MD …Die dunkle ganz rechts? Ich finde, dass bei der linken und der rechten Figur dadurch, dass sie die gleiche Haltung haben, wieder ein abstraktes Moment hineinkommt, so etwas Magritte-haftes.

HS Weil es eine Wiederholung ist?

MD Ja, eine Wiederholung. Und dazwischen ist dann die Frau unter diesem Schirm gebeugt.

HS Vor allem beugt sie sich ja nicht unter den Schirm. Die Figur rechts hält den Schirm mit der Unterseite zu uns. Und das heißt, dass die Frau sich damit vor die Oberseite dieses Sonnenschirms beugt. Das finde ich auch interessant: Es sind alles so rätselhafte Szenen. Da fragt man sich: „Was machen die jetzt?“

MD Man kann schon sagen. Ich male immer so lange an einem Bild, bis es irgendwann rätselhafte Züge bekommt. Ich könnte natürlich auch einfach irgendwelche Personen oder Landschaften malen, aber das interessiert mich nun mal nicht. Da hätte ich auch das Gefühl: Ich werde zu schnell fertig. Das Mysterium, dieses Verschlüsselte: Das interessiert mich wirklich am meisten. Und das ist auch per se eine Parallele zu psychologischen Momenten, weil die Psyche wirst Du auch nie völlig aufschlüsseln können. Du hast immer nur einen gewissen Teilaspekt, den Du gerade einsiehst. Danach verschwindet alles wieder im Dunkeln.

HS Aber das heißt, Du legst das Bild im ersten Gang schon sehr realistisch an? Mit Vorzeichnungen?

MD Das kann ich Dir zeigen. Ich habe diese ganzen Fotos: Alleine in den letzten paar Wochen hat sich schon wieder ein Stapel angesammelt. Das sind alles Dinge, die mich interessieren.

Er überreicht einen Stapel mit Fotovorlagen.

HS Beim betrachtenden Durchblättern der Fotos: Du hast inzwischen aber auch diesen Blick für solche Situationen, das ist unglaublich, dass es so etwas in der Realität überhaupt gibt!

MD Das Bild Scheidungskinder (S. 19) kommt mir auch sehr traumartig vor. Da geht es ja einerseits eine Böschung hinunter, aber dann wiederum läuft der Protagonist scheinbar im Wasser, in welchem sich vielleicht der Mond spiegelt, was ja alles nicht sein kann. Das sind einzelne Versatzstücke, die nicht so richtig zusammenpassen. Und oben rechts kommt mir die Malweise fast vor, wie ein Stück expressionistischer Malerei der 1920er Jahre, das habe ich absichtlich so gelassen.

HS Diese Figur hier unten, das ist ein Hund ist, der von oben gesehen wird, das erklärt sich durch den anderen Hund. Das gefällt immer sehr, wenn das in so einem Schwebezustand gehalten wird, wenn man das Bild erahnen kann, aber das Bild nicht wirklich greifbar ist. Da muss ich immer an diesen Text von Sigmund Freud über das Unheimliche denken. Er sagt, wir fürchten uns in diesem Zwischenzustand der Dämmerung am meisten, wenn wir Dinge gerade noch so erkennen können. Denn die lassen viel Spielraum für Assoziationen und lassen eben auch die Möglichkeit zu, Schreckliches zu assoziieren. Wenn es ganz dunkel ist und man gar nichts mehr sieht, dann fürchten wir uns auch gar nicht mehr so.

MD Dann kommt die Vorstellungskraft so richtig zum Tragen: Das erinnert mich an eine Erfahrung, die wahrscheinlich jedes Kind mal hatte. Dieser Stuhl mit Kleidern darauf, der nachts zu einem Wesen wird. Das habe ich als Kind einmal ganz exzessiv erlebt.

Dass mehrere Bilder einfach nur durch die Stimmung zusammengehalten werden, kann man dann in der Ausstellung, wenn sie einmal hängt, plötzlich merken. Da spielt auch wieder dieser Moment des „Erkennens“ eine starke Rolle.

vom 07.-09. Juni 2013

Wahlkampfauftakt in Moabit: Kunst statt Politik

Was unsere Politiker können, können Künstlerinnen und Künstler schon lange: Sie besetzten den öffentlichen Raum mit Botschaften an das Volk!

Statt schnöder Politikfloskeln findet das Publikum des diesjährigen Ortstermins auf den Plakatflächen im Stadtraum von Moabit Kunst mit Tiefgang. Immer zur Wahl stellen sich uns die Parteien auf zusätzlichen Werbeflächen, den sogenannten "Wesselmännern" vor und verströmen dabei eine Stimmung des Aufbruchs, der uns bevorstehen soll, wenn wir sie wählen. Was die PolitikerInnen können, können die Künstler auch, haben sich die Mitglieder des Kunstvereins Tiergarten gedacht und bringen statt flotter Sprüche Kunst auf die Fläche. Die meisten der beteiligten Künstlerinnen und Künstler werden direkt vor Ort arbeiten und machen den öffentlichen Raum zu ihrem Atelier. Das Publikum ist eingeladen mit dabei zu sein, wenn die Beteiligten ihr künstlerisches Arbeiten öffentlich machen. Ab Montag den 03. Juni bis Freitag den 07. Juni werden alle "Wahlplakate" mit Kunst besetzt.

Die Botschaft, die hinter dieser öffentlichen Aktion steckt, ist eine größere Aufmerksamkeit für bezirklich geförderte Ausstellungsräume, wie die Galerie Nord in der Turmstraße 75 zu erreichen. In Berlin fließen hunderte Millionen in die Förderung von Hochkultur, aber an den vielen kleinen dezentralen Kultureinrichtungen wird immer wieder gespart, das muss sich ändern! Ausstellungsräume, wie die Galerie Nord des Kunstvereins Tiergarten sind der Nährboden für die Hochkultur Berlins. Hier ist Platz für Kunst und Künstler abseits der Vermarktungsstrategien von Galerien und Sammlerparadiesen und hier entsteht die Kunst von der Berlins Ruf wirklich profitiert.

"Kunst jetzt Draußen!" ist Teil von "Ortstermin 2013", dem jährlich stattfindenden großen Atelier- und Ausstellungsrundgang in Moabit. An insgesamt über 120 Orten und mit weit über 200 beteiligten KünstlerInnen das größte Kulturereignis des Bezirks Mitte in diesem Jahr. Programmhefte mit allen Terminen für Veranstaltungen und geführte Rundgänge erhalten interessierte BesucherInnen in den Ausstellungsräumen der Galerie Nord in der Turmstraße 75 zu den allgemeinen Öffnungszeiten, Di-Sa von 13-19 Uhr. Außerdem natürlich am Kunstwochende 7.-9. Juni: Fr 13-21 Uhr, Sa 13-19 Uhr und So 12-18 Uhr.

Eine kleine Auswahl von 200 beteiligten KünstlerInnen:

Reiner Maria Matysik - www.reinermatysik.de
Christian Hahn - www.christian-hahn.com
Christopher Winter - www.christopher-winter.com
Max Diel - www.maxdiel.de
Gloria Zein - www.gloria-zein.com
Monika Goetz - www.monikagoetz.net
Francis Zeischegg - www.franciszeischegg.de
Katahrina Mouratidi - www.mouratidi.de
Karin Rosenberg - www.karinrosenberg.de
Simone Zaugg - www.simonezaugg.net
Pfelder - www.pfelder.de
Renate Wolff - www.renatewolff.de
Veronika Witte - www.veronikawitte.de
Monica Bonvicini im Projektraum Kurt-Kurt - www.kurt-kurt.de


Christian Hamm
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Tel. 030-510 50 258
Mobil 0174-406 14 93

www.kunstverein-tiergarten.de

Kunstverein Tiergarten e.V.
c/o Beelitz
Essener Straße 20
10555 Berlin

Ici Berlin 2

Ici Berlin

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ICI BERLIN

Künstlerische Positionen aus Berlin

Marianne Stoll & Toni Wirthmüller, Beate Rathke, Stoll & Wachall, Claudia Brieske, Heather Allen, Kai Teichert, Norbert Wiesneth, Max Diel, Volker Sieben, Anne Kaminsky, Britta Lumer, Leslie Huppert, Pierre & Jean Villemin, Christine Woditschka, Matthäus Thoma, Marcus Käubler, Fernando Niño-Sanchez, Anny & Sibel Öztürk, Nadja Schöllhammer

Kuratoren:      
Dr. Andrea Weber, Saarländische Galerie - Europäisches Kunstforum, Berlin
Dr. Ralf F. Hartmann, Direktor Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten, Berlin

Als im Jahr 1989 die Berliner Mauer fiel und vierzig Jahre deutsche Teilung ein Ende fanden, begann für Berlin als wichtigste deutsche Kulturmetropole eine aufregende neue Epoche. Die Kunst aus Ost und West näherte sich einander an, unterbrochene Verbindungen wurden neu geknüpft, ein Prozess des gegenseitigen Kennenlernens begann und die Stadt wurde binnen weniger Jahre zu einem der interessantesten Plätze für zeitgenössische Kunst in Europa. Seit Jahrzehnten ist das Nebeneinander unterschiedlicher künstlerischer Strömungen, Überzeugungen und Stile der Nährboden für eine höchst vitale Kunstszene, die über viele Kontakte zu anderen Bereichen wie Musik, Theater und Literatur verfügt. An der Schnittstelle zwischen Ost und West ist die Stadt seit 1989 zu einem Magnet für Künstler aus allen Teilen der Welt geworden, die in Berlin nicht nur auf interessante Kollegen und ein aufgeschlossenes Publikum treffen, sondern für ihre eigene Arbeit optimale Bedingungen vorfinden.

Die Ausstellung ICI BERLIN zieht ein künstlerisches Resümmée der zurückliegenden zwanzig Jahre Kunst in Berlin und präsentiert über 20 Künstlerinnen und Künstler aus den unterschiedlichsten Bereichen der bildenden Kunst. Sie stellt klassische neben junge Positionen, vereinigt Malerei, Skulptur und Fotografie ebenso wie die neuen Medien, Performance- und Konzeptkunst. Alle Beiträge zur Ausstellung verbindet ein unsichtbarer roter Faden: Die Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler sind vom Umbruch geprägt, von der Suche nach aktuellen Ausdrucksmöglichkeiten und von Erfahrungen der Neuorientierung. Sie entwerfen das Bild einer neu entstehenden Metropole, die sich ihrer Geschichte und ihrer historischen Wurzeln ebenso bewusst ist, wie den Chancen des Neuanfangs in einer pluralen, multiethnischen und kosmopolitischen Gesellschaft.

Marianne Stoll und Toni Wirthmüller verbinden ihre künstlerischen Erfahrungen als Maler, Grafiker und Objektkünstler in gemeinsam entwickelten Performances. Ihre aufwändig gestalteten Kleider sind künstlerische Objekte, die während der Performances ein bewegtes Eigenleben zu entwickeln beginnen. Wie eine zweite Haut legen sich komplexe Bildwelten aus Mode, Unterhaltungsindustrie und der Medienwelt über die beiden agierenden Künstler und beginnen deren Bewegungen, Gesten und Kommunikationsformen zu bestimmen. So entsteht eine vielschichtige Metapher des menschlichen Zusammenlebens in unserer gegenwärtigen Welt, das von politischen, sozialen und ökonomischen Faktoren bedingt ist.

Claudia Brieske – Andrea Weber

Die Videoarbeit von Beate Rathke erstreckt sich über zwei Monitore im Eingangsbereich der Ausstellung. Die Künstlerin schlüpft darin in die Rolle ihres alter egos, eines virilen Cowboys, der sich selbstverliebt gemeinsam mit seinen multiplen Doubles dem Line-Dance hingibt. In der beständigen Wiederholung dieser Kunstfigur hinterfragt die Arbeit fest gefügte Geschlechterkonventionen und unseren Umgang mit Rollenklischees in einer Welt, in der die Grenzen der Identitäten zu fließen beginnen. In der Auseinandersetzung mit den Theorien der amerikanischen Kulturwissenschaftlerin Judith Butler gelingt Beate Rathke ein ebenso eindringliches wie populäres Bild des Miteinanders der Geschlechter in der postindustriellen Epoche.

Stoll/ Wachall – Andrea Weber
Claudia Brieske – Andrea Weber
Heather Allen – Andrea Weber
Kai Teichert – Andrea Weber

Der Fotograf Norbert Wiesneth zeigt in seiner Bildprojektion ungewöhnliche Blicke auf die immer mehr verschwindenden Leuchtreklamen der ehemaligen DDR, wie sie über viele Jahre das Erscheinungsbild des Alexanderplatzes im Zentrum von Ost-Berlin bestimmt haben. Seine dokumentarischen Aufnahmen entwerfen die Archäologie einer Zeichenwelt, die von verheißungsvollen Utopien und dem Wahn der Planwirtschaft bestimmt war und immer mehr vom Hauch des Untergangs umweht wurde. In der Rückansicht aufgenommen geben die eindringlichen Bilder des Künstlers den Blick auf eine surreal anmutende Welt frei, die zwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer nahezu verschwunden ist.

Die Malerei von Max Diel ist den figurativen Traditionen verpflichtet, wie sie seit Jahrzehnten die Kunstszene Berlins bestimmen. Die Motive seiner großformatigen Bilder findet der junge Maler auf unzähligen Erkundungen in der Großstadt und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf jene neuralgischen Stellen des Umbruchs, an denen sich die Gegenwart über die Spuren der Geschichte legt. So atmen die Bilder gleichermaßen eine faszinierende Aktualität, wie sie die sentimentalen Reminiszenzen einer untergehenden Vergangenheit einzufangen verstehen.

Christine Woditschkas Videoarbeit lenkt den Blick auf die wachsenden Peripherien der Metropole. In Berlin-Johannisthal, einem typischen Quartier im Ostteil der Stadt, hat die Künstlerin mit der Kamera das Terrain großer Wohngebiete sondiert. Sie verschafft uns Einblicke in soziale Strukturen und die gestalterischen Konventionen sich neu ansiedelnder und alt eingesessener Bewohner. Jenseits der dokumentarischen Qualitäten der Arbeit ist es der spezifisch analytische Blick auf gesellschaftliche Strukturen, auf Rollenerwartungen und die Bildung sozialer Identitäten, der das Video von Christine Woditschka zu einem vielschichtigen Portrait Berlins in der Gegenwart werden lässt.

Der in Kolumbien geborene Fernando Niño-Sanchez setzt sich in seiner künstlerischen Arbeit seit vielen Jahren mit den kulturellen Codierungen der ethnischen Gruppen in einer Metropole der Gegenwart auseinander. Aus gefundenen Objekten, neu entwickelten Skulpturen und Referenzen an die mediale Umwelt unserer Großstädte entsteht in seiner ausgreifenden Installation ein narrativer Faden, der sich aus unterschiedlichen kulturellen Quellen speist. Neben Sprache und Schrift, ist es insbesondere die visuelle Welt der Zeichen aus Werbung, Mode und Kommunikationsmedien, die Eingang in eine neu formulierte Bildwelt aus Verschiebungen, Paraphrasen und Kommentaren findet.

Nadja Schöllhammer verlässt mit ihren raumgreifenden Installationen die klassischen Koordinaten von Malerei und Skulptur und entwickelt dreidimensionale Bilder aus einer Vielzahl von malerischen, skulpturalen und objekthaften Formen. Wie ein Gespinst legt sich eine filigrane Bildstruktur aus Zeichnungen und Scherenschnitten als Membran in den Raum und entwickelt den Charakter einer neuen Körperlichkeit. Alltagserlebnisse, Geschichten und Mythen bilden den fragmentierten inhaltlichen Hintergrund für eine gleichermaßen anmutige wie bedrohlich wirkende Bildwelt, die sich aus vielschichtigen Reflexen unserer gegenwärtigen Lebenswelt speist.

Auf den ersten Blick betrachtet, mag man mich für einen typischen Vertreter jüngerer deutscher Malerei halten. Nach intensivem Studium der Fundamente abstrakter Malerei habe ich mich – ebenso wie viele meiner Malerkollegen - wieder dem Gegenstand zugewandt. Dabei liefern häufig Fotos und Ansichtskarten Ausgangspunkte für mein Schaffen. Die eigenständigen Bildaussagen des bestehenden Bildmaterials werden in sowohl Figurative, als auch freie Malerei, welche nebeneinander bestehen bleiben, transformiert. In soweit begreife ich mich in einer Linie mit Künstlern wie Havekost,  Weischer oder Neo Rauch.

Doch gibt es bei aller Wertschätzung für diese neue deutsche  Malergeneration eine Grundeinstellung in meinem Werk, die mich von meinen Zeitgenossen unterscheidet. So geht es mir nicht nur um das „Was“ und „Wie“ der Darstellung, sondern insbesondere um die innere Haltung zur Malerei, bzw zum einzelnen Bild, welches immer wieder auf´s neue kritisch hinterfragt sein will und letztlich auf eine Konkretion des Lebens abzielt.

Vor diesem Hintergrund betrachtet, erscheint mein Werk als unerwartet „sperrig“ – es offenbart sich hier eine Nähe zu Künstlern wie Dieter Roth oder Raoul de Keyser. Das Festhalten an einem Thema oder einer Malweise kann in meinen Augen bestenfalls das Resultat künstlerischen Strebens, nie aber dessen Absicht sein. Einigen mag dieses Anliegen schlicht als Unvermögen erscheinen und womöglich haben die, die in solcher Weise über mich urteilen, sogar recht. Denn der Maler, der sein Werk vollkommen beherrscht, schlägt mit dieser Meisterschaft zugleich den ersten Nagel in seinen Sarg.

Ähnliches gilt für den Gebrauch der Perspektive. Meine Bilder sind fast immer mehrperspektivisch und das wiederum in mehrfacher Hinsicht. Häufig resultiert die perspektivische Mehrfachbrechung aus dem „Sampling“ verschiedener Bildvorlagen und eigener Bild(re-)konstruktionen. Aspekte der Außenwelt, welche dem Foto entlehnt sind, werden mit inneren Bildern (Erfahrungen und Erinnerungen) gebündelt, ins Ganze gebracht. Dadurch schleichen sich immer wieder autobiographische Aspekte in die Arbeit ein – ein willkommener Anlaß, die „Echtheit“ einer Arbeit zu überprüfen. Denn nur das, was mich berührt, mag auch einen potentiellen Betrachter etwas angehen.

So, wie auch das Leben aus immer wiederkehrenden Einzelmomenten besteht, so ist auch das einzelne Bild für mich Dreh-und Angelpunkt meiner Arbeit. Mit jedem einzelnen Bild  setze ich mich aufs neue mit dessen bildnerischen Möglichkeiten auseinander. Häufig spielt dabei die  Beschaffenheit der Bildoberfläche eine zentrale Rolle. Manche Arbeiten sind leicht und elegant, andere wiederum zeugen  von einem langwierigen, ja fast martialischen  Malakt. Hier kommt oft die Collage zum Einsatz – sie öffnet neue Perspektiven. Dort, wo die ersteren Bildentwürfe scheiterten. So können sich schon mal Schlüsselanhänger, Strümpfe oder ähnliches Vorgefundenes auf meinen Bildern wiederfinden und manchem verblüfften Ausstellungsbesucher muß ich gestehen, dass ich auf die Frage: „was ist denn das?“ keine Antwort parat habe. Denn was sich im Prozeß der Einverleibung, der Verschmelzung von Außen- und Innenwelt auf der Leinwand abspielt, entzieht sich unter Umständen meiner Kontrolle.

Was dann auf der fertigen Arbeit zu sehen ist, spiegelt den Weg dieser Suche oder Reise ins Innere wieder. Es sind häufig die Spuren, welche zurückbleiben: abgekratztes und zerfetztes Papier, oder Farbschichten. Zusammengenähte, geklebte oder geschraubte Bildfragmente hinterlassen nicht selten so etwas wie Narben auf der Bildoberfläche. Sie konterkarieren das offensichtliche Streben nach einem „schönen“ Bild. Titel, wie „Walkampf“, „Ringer“, Ringer (Courbet)“, Weltensturz“ oder „Sail that ship alone“ zeugen von einer gewissen Dramatik und Verletzbarkeit.

Das Zusammenspiel von Eleganz und Aggression hat mich in den zahlreichen Schwanenbildern, aber auch bei „Zidane“ inspiriert. Das unschuldige Weiß und die offensichtliche Schönheit der Tiere bzw. Zidanes´ brillantes Fußballspiel können nicht über die innere Entschlossenheit und Härte hinwegtäuschen, die all jene erfahren, welche es auf eine Konfrontation ankommen lassen. So soll es auch dem Betrachter meiner Bilder ergehen. Man soll ruhig spüren, dass da etwas im Argen liegt.

Max Diel, 2009

Aus den Mappen quellen sie, an einem Wandvorsprung im Atelier sind sie zu finden, Bilder und Bildchen aus verblichenen Zeitschriften, Postkarten, Reproduktionen, Werbeprospekte, eine kleine Arbeitsbibliothek hütet weitere Vorlagen: Menschen, meistens Figuren, Fußballspieler, Familienfotos aber auch Landschaften, Umgebungen, Situationen. Am Anfang steht immer ein solches Fundstück. Max Diel braucht anscheinend diesen ersten Anstoß, er macht auch kein Geheimnis aus seiner Kunst des Findens, eher beiläufig hütet er ihre Zeugen, und nichts läge ihm ferner als eine ordnende Archivierung. Einen „Atlas“ gibt es nicht. Die Anwesenheit der Inspirationsquellen im Atelier ist so selbstverständlich wie die halbausgedrückten Farbtuben, wie die Wischlappen, Pinsel, Stifte und Skizzenblätter; sie bilden das Ambiente des Arbeitsplatzes. Sie sind Material der hier entstehenden Malerei, deren Arbeitsprozess womöglich mit dem Ablagern der Funde beginnt. Was in Betracht kommt, hat bereits das Stadium einer ersten Skizze, etwas das man festhalten, an dem man weiter arbeiten will, warum nicht: Eine Fundskizze. Dieses Wachstumspotential wird in einer Zeichnung abgetastet, die Möglichkeitsformen des Kommenden begeben sich auf den Prüfstand. Ein oft genug radikaler Ausschnitt fokussiert das energetische Potential der Fundskizze. Einen Projektor braucht er nicht, die neuen Umrisse werden auf der Leinwand fixiert und entfernen sich damit selbstbewusst von der Vorlage. Die Bilder und Bildchen verblassen, das Gemälde lässt seine ersten Anregungen hinter sich, je weiter es Form annimmt.

Spätestens im Umgang mit der Farbe lockert sich der Kontakt zur Fundsache. In diesem Augenblick hat sich sozusagen die Lautstärke verändert; ohnehin atomisieren die bevorzugten großen Formate den ursprünglichen Bildfund und überführen ihn in eine neue Unübersichtlichkeit. Manche Szenerien sind nur noch schwer wieder zu erkennen, oder sie wirken bewusst entstellt. Die „Wildnis“ (2006) findet im Käfig statt, der Maschendraht drängt sich ungebührlich in den Vordergrund und zerhackt den großen Raubvogel in ein nervöses Mosaik. Die Arbeit am Motiv verselbständigt sich, die Aneignung durch die Malerei produziert ihre eigene Welt. Der Blick fällt immer wieder auf souveräne Details, wo der Pinsel in einem Zug schöne Schleifen setzt; die zeichnerische Qualität der Gesten ist offensichtlich. Das Glas einer Drehtür wird gekonnt verwischt zur Demonstration von Räumlichkeit und Transparenz („Drehkreuz“ 2006). Farben begegnen sich. Der Maler hat ein Gefühl für aparte Mischungen entwickelt. Unter dem sondierenden Mikroskop des Betrachters ist sozusagen ‚Farbfeldmalerei’ zu sehen, auch beim Zurücktreten bleiben diese Inseln bestehen. Manchmal scheint das ganze Bild Ergebnis eines unmittelbaren, ungeteilten Zugriffs zu sein, es gibt eindrückliche Studien über Licht und Schatten, die eine geradezu nachmittägliche Wärme ausstrahlen; wenn etwa eine charakterstarke Weide diagonal in die Bildfläche, sprich über das blaue Wasser ragt, das durch dunkle Schattenfelder leicht bewegt erscheint. Dann ist zuallererst ‚Landschaft’ angesagt, das Figürliche meldet sich ohne Widerstand, - der Ausschnitt ist in die Totale zurückgetreten. Ein Film läuft ab und bleibt im richtigen Augenblick stehen, die Kamera unterbricht einen Schwenk. Beim genauen Hinsehen wird hinter den hängenden Ruten eine seltsame Irritierung ausgemacht, ein fleischfarbenes Körpergebiet, mutwillig getarnt, vielleicht auch übermalt im Rahmen einer ikonografischen Umorientierung. Die Großzügigkeit der Szene ist womöglich nur vorgetäuscht.

Es mag bevorzugte Themen oder Reize geben, die nach einem Bild von Max Diel rufen, etwa (rhythmisierte) Körper, Wasser, Licht und Kurven, Augenblick und Stillstand, die optischen Echos der Schatten. Alltägliches und Zufälliges findet sich wieder in großen Formaten. Durch die Malerei scheinen die Motive jeweils in eine durchaus ähnlich klingende soziale, gelegentlich auch surreale Anmutung hineinzuwachsen, die zu der womöglich falschen Vermutung verleitet, es gäbe für alle Funde von Max Diel so etwas wie einen common sense. Die eigene Handschrift, letztendlich der fertigen Arbeit, produziert naturgemäß diese und ähnliche Rückprojektionen. Es sind auch nicht immer Postkarten, Familienfotos oder Ausschnitte aus Zeitungen oder Illustrierten, die ihn zum Malen verführen. Paraphrasen und Anlehnungen an die Kunstgeschichte sind möglich, es fallen im Gespräch schon mal die Namen von Vallotton, El Greco, Hodler auch Hitchcock. Die „Dacharbeiter“ von 2007 verweisen auf Caillebotte, freilich waren die Protagonisten dieses Schlüsselbildes ursprünglich Bodenschleifer. Die Paraphrase kommt von Anfang an als Deplatzierung daher. Auch wenn die figurale Disposition und der Ausschnitt des Originals im Wesentlichen unberührt bleiben, stellt der freie Umgang mit diesen Faktoren sicher, dass ein neues Bild kommt. Ansonsten ist Caillebotte in diesem Fall eine Vorlage wie viele andere und hat zu einer offenen Skizze, zu einem zeitgenössischen Gemälde geführt, bzw. verführt. Die Vorlage bindet nicht, verschiedene Motive kreuzen sich, sie werden ineinander verschoben.

Nur Bilder, die sich selber kritisch beäugen, machen heute noch einen Sinn, die Kunst kann im tagtäglichen Geben und Nehmen keine selbstzufriedenen Elaborate gebrauchen. Ein abwägendes Innenleben muss das Rückgrat aller Malerei sein. Das gilt für alle Bilder, die heute gemacht werden, egal ob sie figürlich oder abstrakt daherkommen. Die wie auch immer gestellte Frage: Was bin ich? wird vom Bild an die Betrachter weitergegeben. Der produktive Zweifel ernährt dementsprechend auch die Arbeit von Max Diel, ja, die Vorlage wird bei ihm gelegentlich (fast) zermalt! Dann verdickt sich die Farbe, das Material stöhnt. Da scheint einer zu modellieren, der Pinsel beißt zu, das Bild bleibt stecken. Max Diel greift zu deutlichen Mitteln. Er collagiert, er pflastert, die Malerei wird partiell neu erfunden. Er schneidet Figuren oder Details aus, er setzt Schablonen in das Bild, er übermalt sie. Neue Ebenen konkretisieren sich damit, ein zusätzliches Relief konkurriert mit der Farbe, die in der Regel doch dünn und eher flächig auftritt. Anders gesagt: Das Flachbild wird gesprengt. Die rein malerische Geste relativiert sich, manche der schönen Kurven werden richtiggehend vergewaltigt durch eine trotzige plastische Chirurgie auf der Suche nach exterritorialen Lösungen.

Die Collage will anecken, sie tritt auf, als sei sie mit einer überdimensionalen Nagelschere geschnitten; beim Basteln am imaginären Küchentisch, oder, um den wuchernden Assoziationsketten noch weiter freien Lauf zu lassen: Als hätte Frankensteins Monster sich zur Hausfrau gemausert, die hier scheinheilig Wäsche aufhängt. Die Malerei balanciert am Abgrund, sie spricht ihr Urteil über der Vorlage, die sie nicht mehr abschütteln kann. Die Idylle kriselt. Eine triviale Szene maskiert sich mit dem Mut der Verzweiflung, die Frau mit der Wäsche wird zum Opfer eines Exempels, bzw. zur Vorzeigefigur einer durch und durch ehrlichen Arbeit („Wäscherin I“, 2007). Dabei wirft der Malakt die humpelnde Figuration fast aus der Kurve und produziert seine eigene, attraktive Katastrophe. Die Narben werden mit stolzem Schmerz gezeigt. Sicher ist, dass aus dem Diskurs der Farben mit dem initiierenden Konzept der Vorlage ein unabhängiges Wesen herauskommt, und das ist auf seine Weise vielleicht sogar abstrakt, als Ergebnis eines ausufernden Malvorgangs. Im Verhältnis zur Vorlage entsteht fast so etwas wie ein Phantombild.

Der kritische, wie mitfühlende Betrachter verweilt bei solchen medialen Baustellen mit besonderer Vorliebe, weil sie einen charakteristischen Blick ins Innere freigeben. Außerdem schreibt sich hier die Zeit auf eine geradezu dramatische Weise in die Materie ein. Der Verarbeitungsprozess setzt seine Zeichen und deformiert die vorfertige Erinnerung. Der Essay gefällt sich in der überproportionalen Wahrnehmung solch heftiger Auseinandersetzungen mit der Vorlage, der Bildvorstellung und dem Material. Diese plastische Chirurgie lässt den gefälligen Blick über ihre Collagetechnik stolpern. Diejenigen, die das bislang vielleicht noch gar nicht bemerkt haben, sehen plötzlich nur noch das, die Narbe im Gesicht des Gegenübers. Und beim Blick zurück über den Rest des Bildes finden sich immer mehr Verwerfungen, eingebettet in das Relief der Malerei; unter der Oberfläche rumort es. Nicht immer bluten diese Bilder freilich so heftig, nicht immer malt Max Diel die Wunden des kriselnden Arbeitsprozesses. Das Grundvertrauen in die per se heilende Kraft der Malerei führt in den meisten Fällen zu ungebrochenen Lösungen, die teilhaben an der Vielschichtigkeit seiner Arbeit. Dann zeigt Diel sich verwurzelter, stiller und, was anrührt, ist gerade die Schönheit und der Reichtum des Lebens. Doch ist die Collage als Verstärkung und Herausforderung seines Ausdrucksbedürfnisses in den letzten zwei Jahren immer wichtiger geworden.

Die Wunden des Arbeitsprozesses, ihre ernsten wie ehrwürdigen Tragödien im heroischen Kampf um das Bild, produzieren manchmal auch heitere Gegenspieler, es kommt zu ironischen Übertreibungen. Ein Herr hängt Socken auf das Trockengitter. „Am Fenster“ (2005). Das Bild ist von einer seltsamen auch weichen Präzision, der illustrative Ausschnitt scheint aus einer Vorstadt-Reportage entnommen. Die stille Nachmittagsszene gerät auf eine schiefe Ebene, wenn klar wird, dass die Socken, die da auf der Leine hängen, echt sind; deshalb erlaubt sich der Untertitel auch den Hinweis „Sockenbild“. Die Realien, die hier eigentlich ideal platziert erscheinen, brechen die Malerei auf, die ironischen Requisiten bilden eine fruchtbare Irritation, die auch den figurativen Charakter in Frage stellt.

Die unscheinbaren Textilien, werden nicht eingemeindet, sie wirken viel eher wie falsche, jedenfalls zu laut gespielte Töne im großen Orchester. Was als Kosten-Nutzen-Rechnung eine Einzahlung auf das Konto des Hyperrealismus sein könnte, also echte Textilien in einem gemalten Bild, bringt die Bildrealität letztendlich zum Einsturz, weil zwei Strategien aneinander stoßen und sich dabei gleichsam neutralisieren. Das Bild wird zum anziehenden Wechselbalg, die Malerei sitzt zwischen den Stühlen. Eine andere lustvolle Übertreibung bedient sich wieder ganz unverkrampft in den Arsenalen der Kunstgeschichte. Eine Ikone wird als Bild im Bild („Ikone“ 2005) zitiert. Die Gesichter der Muttergottes und des Kindes sind ausgespart für eine abgehobene, patinierte Malerei, eine Doublierung hinter den ovalen Fenstern. Das ganze sie umgebende Feld, die Umgebung mit ihren souveränen Malkurven bildet im übertragenen Sinne ein Ornat, das die beiden stillen Porträts schützend und schmückend umgibt. Und neben der Anspielung auf die Ostkunst und ihre Heiligen, schleicht sich auch die Assoziation an Bilderwände, an Jahrmarktsattraktionen von gestern ein, die ein Loch für den eigenen Kopf frei ließen, damit man sich als Alexander der Große oder Napoleon fotografieren lassen konnte. Ist das, mit ihren heiteren, tragischen und assoziativen Brüchen noch Malerei, die sich aufs landläufige, allgegenwärtige Parkett der vielgeliebten, neuen Gegenständlichkeit bewegt?

Auch wenn das Wort ‚schön’ hier fahrlässigerweise schon gebraucht wurde, Max Diel malt keine schönen Bilder. Seine flüssige Technik, die von der gewählten Vorlage gelenkt, leichte, offene, ja entwerfende große Flächen bewältigen könnte, wird von einem kritischen Bewusstsein kontrolliert. Und da, wo das offensichtliche Grundvertrauen ungebrochen erscheint, hat zuvor vielleicht schon der Ausschnitt mit dekonstruktivem Mutwillen gewaltet und seine deutliche Vorliebe für Zwischenräume ausformuliert. Die Selbstkritik ist Teil der produktiven Irritierung; deshalb auch das gelegentliche Wüten über einigen schweren Stellen. Gesucht wird ein autonomes Wesen, das, angestoßen von einem Fundstück, zum medialen Eigensinn der Malerei führt. Lösungen wie aus einem Guß sind möglich, die Quadratur des Kreises ist schwer zu treffen, Botschaften über die Immanenz des Mediums hinaus, ziehen sich zurück und hallen doch in den Wahrnehmungsprozess. Bei aller Abstraktion, die sich mit der (verbalen) Bildbeschreibung, mit dem Aufspüren der Arbeitsprozesse einstellt, bleibt der Gegenstand ein primärer Orientierungspunkt. Es gibt freilich Grade der Entfernung davon, wenn man einmal davon absieht, dass die Vorlage als ‚Bild’, als Reproduktion bereits einen vermittelten Status repräsentiert. Ein Paradox kann aufgespürt werden: Ein Anlass, eine Situation muss stark genug sein, um Material für die Kunst des Findens zu sein, doch wenn aus der Fundskizze endlich ein Gemälde geworden ist, darf die Malerei selbst nicht durch die Prähistorie des Motivs gestört werden. Allenfalls der Titel kann noch ein wenig darauf verweisen. Die offensichtliche Figürlichkeit dieser Bilder verstummt, und das ist ein Teil ihres Geheimnisses.

Reinhard Ermen

Badische Zeitung, Freiburg, 03.12.2007

Aus: Ein Vorfall mit Hasenohren und andere Forschungen
Autor: Volker Bauermeister

... Für den Maler Max Diel wird eine Drehtür zum Einstieg in ein undurchdringliches Raumbild.

Der Sonntag, Freiburg, 09.12.2007, (Kultur in der Region)

Aus: Die Mischung sei Kunst
Autor: Andrea-Silvia Végh

...Mit der Illustration zweier Lieder, eines im Fußhandvideo von Peter Bosshard und "tout les filles des Limatquai" von Christian Schmidt sowie und Max Diels ausgezeichnetem "Malerbildnis" ist den Juroren ein guter Coup gelungen."

Ich male stets solange an einem Bild, bis es für mich "wirkt". Damit meine ich, dass das Bild mich in irgendeiner Weise überrascht, dass es rätselhaft wird, Fragen aufwirft, Suggestionen hervorruft. Oft erkennt man das Motiv meiner Arbeiten erst auf den zweiten Blick. Der Zeitraum, den man zum Erkennen und Begreifen eines Bildes benötigt, ist mir durchaus wichtig. Er gehört in meinen Augen zum Wesensmerkmal von Malerei. Ein gewöhnliches Foto z.B. kann ich in aller Regel recht schnell erkennen - doch dafür hält seine Wirkung in mir weniger lange an. In der Malerei benötige ich oft mehr Zeit - ich brauche länger, um ein Bild in mich aufzunehmen. Doch dafür klingt es anschließend auch länger in mir nach. Es gibt Bilder, Malereien, die schon seit etlichen Jahren in mir nachklingen, oder eben: "wirken". Ich interessiere mich in erster Linie für jene Kunst, welche mich in solcher Weise überrascht, irritiert, herausfordert.Malerei erschafft Wirklichkeit neu. Es gibt Momente, da glaubt man in Gemälden ein bestimmtes Detail überaus plastisch und realistisch vor sich zu sehen. Doch bewegt man sich auf das Bild zu, erkennt man, dass alles eben doch "nur" Farbe ist. Dies gilt übrigens für abstrakte, wie gegenständliche Kunst gleichermaßen.Ein Blatt Papier, in welches ich ein Loch schneide, wird zum Objekt. Dieses überaus klassische Phänomen der modernen und zeitgenössischen Kunst fasziniert mich immer wieder aufs neue. Ähnliches läßt sich auch über Farbe und Farbmasse sagen. Oftmals spiele ich mit der Struktur und Beschaffenheit der Bildoberfläche. Zuweilen collagiere, schraube, niete oder nähe ich Dinge auf die Leinwand; auf meinen Papierarbeiten wird das Papier zum Material, oft treibe ich das Papier an die Grenze seiner Belastbarkeit.Doch scheue ich mich davor, zu sagen: "meine Arbeiten handeln vom Objektcharakter der Malerei", oder von : "Realismus", "Komposition", "Perspektive", "Farbauftrag", "Figuration-Abtraktion" oder was auch immer. Meine Bilder sind immer alles zugleich. Sie sind Möglichkeiten, "Welt" darzustellen, Bedeutungsebenen aufzuweisen.So wird eine Arbeit für mich interessant, wenn sich verschiedene Bedeutungsebenen durchdringen, wenn sozusagen verschiedene Welten zusammenkommen. Nicht immer lassen sich die Bedeutungsebenen direkt und unmittelbar ablesen. Oft braucht es Jahre, bis ich eine Arbeit richtig deuten oder schätzen kann. Nicht selten werden Arbeiten durch das Leben selbst bestätigt.

Ich versuche in meiner Kunst , die Sinne für das Zufällige zu schärfen. Wenn ich an einem Bild arbeite, bin ich bemüht, so weit wie möglich absichtslos zu bleiben. Wenn ich zuviel will, bin ich der Entstehung des Bildes im Wege. Zuwenig zu wollen, reicht natürlich auch nicht aus. Es geht um das rechte Maß. Immer wieder versuche ich, die Grenzen meiner Bildideen auszuloten, mit jedem Bild "neu anzufangen". So entstehen oftmals Bilder in meinem Atelier, welche in meinen Augen durchaus funktionierende Bilder sein könnten, jedoch eine gewisse Unsicherheit in mir hervorrufen. Dies ist ein sehr delikater Moment - wann ist ein Bild wirklich gelungen, wann übernehme ich sozusagen die volle Verantwortung für das Werk?

Auch wenn es sich banal anhören mag, ist es so, als kaufe man sich ein neues Kleidungsstück und stünde nun mit diesem vor dem Spiegel. Die entscheidende Frage ist: "Will ich so sein, will ich so gesehen werden?" So stehe auch ich mit prüfendem Blick vor dem Gemälde und frage mich: "will ich, dass dies ein Bild von mir ist?"

Folglich arbeite ich so lange an dem Bild, bis es "zu mir spricht", beseelt, eigenartig wird, will sagen : ein eigenes Leben zu besitzen scheint und ich es als direkten Ausdruck meiner Selbst erkenne.

Dieser Prozeß kann sehr schnell und mit großer Leichtigkeit vonstatten gehen oder aber er verläuft mühevoll und schwer.

Januar 2006

Aus dem Online Journal der ZEIT
ZEIT.DE, Berlin-Journal

17.01.2006

Durchsagen: Stadtkerle

Es gibt sie noch: Junge Maler, die einen eigenen, sicheren Stil entwickelt haben. Einer, von dem man noch sehr viel hören wird, ist sicherlich der Berliner Maler Max Diel. Seine durchaus gegenständlichen Kunstwerke zeigen angerissene Situationen, faszinierende Schattenwelten und scheinen ganze Geschichten zu erzählen, verdichtet in einem vordergründig harmlosen Schnappschuss, der oft erst bei längerer Betrachtung den einen oder anderen Abgrund verbirgt. Seine Werke, sowie die ebenfalls sehr sehenswerten Exponate von Georg Weise und Christian Hahn kann man noch bis einschließlich 11. Februar im Rahmen der Ausstellung "Urban Guys" in der Galerie Nord (Turmstr. 75, Bln-Tiergarten) besichtigen. Und übrigens auch kaufen. Ich möchte wetten, es lohnt sich.

Jochen Reinecke

BADISCHE ZEITUNG vom 11.01.2006
Kurz gemeldet

Frühkunst: Max Diel

FREIBURG. Bei der "Frühkunst", die diesmal ausnahmsweise am zweiten Freitag des Monats stattfindet, stellt Jochen Ludwig, der Leiter des Museums für neue Kunst, Marienstraße 10a, dort am Freitag, 13. Januar, ab 7.15 Uhr Max diels Arbeit "Agenda 2000" vor.

PRESSETEXT
Berlin Painting, Galerie Michael Schneider, Bonn

Autoren: Veruschka Vogt und Michael Schneider

Das Leben im Augenblick

Der Künstler Max Diel, der in Amsterdam und Berlin - wo er heute lebt - studierte, entwickelt seit seinem Abschluss als Meisterschüler eine ganz eigene, besondere Ausprägung figurativer Malerei. Auf Leinwand und Papier, teils collagiert und als Assemblage, entstehen weniger surreale oder expressive Bilder, als vielmehr Werke, die sich ganz und gar auf ihren Anlass konzentrieren: Es ist der einzelne Augenblick, den sie mit einer besonderen Intensität aufladen - indem sie die Magie, die ihm innewohnt und die sich in einem Moment des Stillstands offenbart, zu Tage treten lassen. In ihrer Wirkung wird diese Magie durch den präzise gewählten Bildausschnitt noch verstärkt. Der Betrachter sieht sich mit einer Art Standbild, einem eingefrorenen Schnitt oder mit einem heran gezoomten Detail, wie er es aus dem Film kennt, konfrontiert. Die Bildgegenstände werden häufig überschnitten und teilweise fragmentarisiert, Malspuren bleiben offen sichtbar und werden motivisch integriert. Das Verhältnis der Flächen zeigt Bezugnahmen von Valloton bis hin zur Malerei der achtziger Jahre. Dabei gelingen Max Diel - auch in den immer wieder aufgegriffenen Wassermotiven - Vexierbilder. Es sind Kippmotive, die eben noch ganz fassbar und konkret waren, sich im nächsten Moment aber dem Begrifflichen entziehen und auf diese Weise die Sicht auf eine andere Bedeutung freigeben. In seinen Vexierbildern lädt Diel die scheinbaren Gegensätze zwischen figurativer und freier Malerei zur Versöhnung.

Ein ruhiger Blick in der Unruhe

Nachdem er bereits in früheren Arbeiten immer wieder den Augenblick in eindrucksvoll-rätselhaften wie dramatisch aufgeladenen Motiven festgehalten hat, bereitet die neue Werkserie vor den Augen des Betrachters eine ganze Welt in Momentaufnahmen aus. ’Seine jüngsten Arbeiten liefern ein vitales Bild junger Malerei, die alle engmaschigen Theorien beiseite räumt, den unmittelbaren Blick (...) gefunden hat und sich der unglaublichen Vielfalt des heutigen Lebens mit jeder Faser annimmt.OE (Ralf F. Hartmann). Mit seinem Blick für den einzelnen Augenblick bezieht Max Diel eine ganz eigene Position jenseits von neuer Romantik oder utopischen Gegenentwürfen zur fremd gewordenen Umwelt. Hier der Moment, in dem eine ganze Geschichte zum Ausdruck kommt oder in dem sich auch alles Bisherige ändern kann - und auf ihn gerichtet ist dieser unbeirrte, ruhige Blick, der das Wesentliche des Augenblicks vor seinem Vergehen erfasst und bewahrt - das ist es, womit Max Diel unserer heutigen Unruhe begegnet. Das Magazin “Kunstforum International³ publizierte jüngst unter der Fragestellung “Leipzig - Das Tor zur Malerei?³ einen umfangreichen Beitrag zur sogenannten Neuen Leipziger Schule. (Bd. 176 Juni-August 2005) Die Tatsache, dass die Rahmenbedingungen des Kunstbetriebes eine starke Fokussierung auf die Leipziger Malerei erleichtern, sollte jedoch nicht dazu führen, die starke Präsenz von Gegenständlichkeit und Narrativem besonders in der Generation der um 1970 geborenen Künstler/innen auch im übrigen Deutschland zu übersehen. Im Diskurs zeitgenössischer Malerei besetzt Max Diel eine herausragende Position. Und nachdem er Ende 2004/Anfang 2005 in New York mit “German Painting³ vertreten war, lautet der Titel seiner aktuellen Ausstellung in der Galerie Schneider, Bonn, ganz bewusst “Berlin Painting".

PRESSESPIEGEL
Bonner General-Anzeiger. 29. September 2005. S. 21 (Feuilleton)

Gemalte Schrecksekunde

AUSSTELLUNG Max Diel bei Schneider

Von Christina zu Mecklenburg

GALERIE SCHNEIDER. Das Porträt bricht dort ab, wo die Halspartie von „Zeta-Jones" in den Kinnbereich mün­det. Anstelle eines Bildnisses im tradi­tionellen Sinn porträtiert Max Diel viel­mehr eine weit geschwungene Schul­terpartie, bedeckt von einem mutmaß­lich authentischen Tigerfellkragen. Das per Collage applizierte Tigerfellmuster feiert sein Comeback im Umkreis eines Magiers im Bild „Alchemistenfrüh­stück" . Der irritierende und span­nungsgeladene Bildkosmos des 1971 in Freiburg geborenen Malers beginnt mit konkreten, gleichwohl nur in Bruch­stücken angerissenen Situationen oder rätselhaft isolierten Motiven („Avoka­do"). Mit Wirklichkeitsrelikten, frag­würdigen uneindeutigen Bildinhalten, offenen Bildgrenzen und einer magne­tisch anziehenden Schattenwelt stachelt der Berliner Meisterschüler Diel in treff­sicherer Manier zunächst Vorstellungs­kraft und Spekulationsvermögen an.

Das faszinierende Gemäldepanorama „Berlin Painting" offenbart in der be­reits dritten Einzelausstellung bei Mi­chael Schneider gleichwohl ein prächtiges Kaleidoskop dramaturgischer Kniffe und malerischer Brillanz.

Grundstock des Malers bildet ein ständig wachsendes Archiv von Aus­schnitten aus Magazinen, Kunstpro­spekten und privaten Fotografien. Das Gegenständliche ist Vorwand, An­triebsfeder für fantastisch, poetisch oder sakral angehauchte Kurzgeschichten. Filmische und fotografische Techniken wie Weitwinkel und Zoom erhalten ihr malerisches Pendant.

Durch überdimensionale Schilfrohre hinweg fällt der Blick auf eine Wasser­nixe namens "Franzi", die im mondbe­schienenen See offensichtlich verzwei­felt ihre Arme in die Höhe reckt. Schrecksekunden, Pattsituationen „.Karl"), vermeintliche Wendepunkte oder seltsam andächtige Augenblicke der Stille ( „Hidden") zählen zu den fa­vorisierten Themen des in Berlin le­benden Künstlers.

Längst haben sich Schlüsselrequisi­ten, wie Hüte, Schleier, Handschuhe, ornamentale Muster und geometrische Raster herauskristallisiert. Eine domi­nante Rolle spielen Wasseroberflächen, obskure Spiegelungen sowie eine viel­fach unwirkliche Licht-Schattenregie.

Webseite des
SRW Studio Freiburg, April 2003

Max Diel, "Bildfindung"
in der Reihe "Kunst im Funk"

Ausstellung mit Werken von Max Diel im Freiburger Funkhaus

Eng verbunden war er schon immer mit der Breisgau-Metropole: Max Diel wurde 1971 in Freiburg geboren. Nach dem Abitur absolvierte er zunächst ein Studium an der Amsterdamer Gerrit Rietveld Akademie und wechselte dann an die Kunsthochschule Berlin, wo er 1999 Meisterschüler wurde. Der Bonner Galerist Michael Schneider entdeckte das Jungtalent und ermöglichte ihm im Jahr 2000 die erste Einzelausstellung ("Treppenbilder"), auf die 2002 die Fortsetzung "Im Zwielicht" folgte.

Mit der Ausstellung "Bildfindung" im SWR Studio Freiburg betritt Max Diel zum ersten Mal wieder sein ursprüngliches Terrain - nicht nur, was den Ausstellungs-, sondern auch was den Entstehungsort seiner Bilder betrifft. Alle Arbeiten, die in der Ausstellung zu sehen sind, entstanden/entstehen in zwei Zyklen (September 2002 und April 2003) in der zum Atelier ausgebauten Scheune seines Vaters in Dietenbach bei Kirchzarten. Das Hauptanliegen der Ausstellung ist nicht etwa ein einheitlicher Themenkomplex, sondern vielmehr eine fragmentarische, assoziative Momentaufnahme. Daher auch der Titel: "Bildfindung". Er unterstreicht das Prozesshafte, das Suchende des Projekts.

In seinen Arbeiten - speziell auch in den in Freiburg ausgestellten Werken - verbindet der Künstler biographische Elemente mit scheinbar zufällig gefundenem Bildmaterial. Zeitungsphotos, eigene Photos, Bilder von Freunden und Familie oder Bilder aus dem Internet werden in Malerei umgesetzt. Dabei fließen aktuelle Begebenheiten - Kriegsängste oder auch die Globalisierungsthematik - wie von selbst in die Arbeiten ein und stehen gleichermaßen zwischen "leichteren" Themen, wie etwa der Darstellung dreier Dalmatiner.

Jedes Thema, jedes Photo ist für Max Diel ein Ausgangspunkt; eine Inspiration, die ihn zum Malen anregt und nach immer unterschiedlichen malerischen Umsetzungen verlangt. So scheint die Malweise des Künstlers teils eher graphischer Natur, teils "malerisch" mit mehrfachen Übermalungen - oder, wie Heidrun Wirth in der Bonner Rundschau schrieb: "Im Zwischenbereich ist er zu Hause, der 1971 geborene Künstler Max Diel. Er ist nicht leicht einzuordnen, denn er siedelt irgendwo zwischen realer Wirklichkeit und fiktiver Mache in Kinobildern oder Illustrierten, zwischen Figuration und Abstraktion, zwischen Absicht und Zufall, zwischen spontanem Pinselstrich und sorgsam überlegter Bildkomposition." (Bonner Rundschau, 8. Februar 2002)

Im Rahmen der Ausstellung erscheint ein Seriegraffiti/Original der drei Dalmatiner in limitierter Auflage (35 Stück), das im SWR Studio Freiburg während der Dauer der Ausstellung zum Sonderpreis erhältlich ist.