Ich male stets solange an einem Bild, bis es für mich "wirkt". Damit meine ich, dass das Bild mich in irgendeiner Weise überrascht, dass es rätselhaft wird, Fragen aufwirft, Suggestionen hervorruft. Oft erkennt man das Motiv meiner Arbeiten erst auf den zweiten Blick. Der Zeitraum, den man zum Erkennen und Begreifen eines Bildes benötigt, ist mir durchaus wichtig. Er gehört in meinen Augen zum Wesensmerkmal von Malerei. Ein gewöhnliches Foto z.B. kann ich in aller Regel recht schnell erkennen - doch dafür hält seine Wirkung in mir weniger lange an. In der Malerei benötige ich oft mehr Zeit - ich brauche länger, um ein Bild in mich aufzunehmen. Doch dafür klingt es anschließend auch länger in mir nach. Es gibt Bilder, Malereien, die schon seit etlichen Jahren in mir nachklingen, oder eben: "wirken". Ich interessiere mich in erster Linie für jene Kunst, welche mich in solcher Weise überrascht, irritiert, herausfordert.Malerei erschafft Wirklichkeit neu. Es gibt Momente, da glaubt man in Gemälden ein bestimmtes Detail überaus plastisch und realistisch vor sich zu sehen. Doch bewegt man sich auf das Bild zu, erkennt man, dass alles eben doch "nur" Farbe ist. Dies gilt übrigens für abstrakte, wie gegenständliche Kunst gleichermaßen.Ein Blatt Papier, in welches ich ein Loch schneide, wird zum Objekt. Dieses überaus klassische Phänomen der modernen und zeitgenössischen Kunst fasziniert mich immer wieder aufs neue. Ähnliches läßt sich auch über Farbe und Farbmasse sagen. Oftmals spiele ich mit der Struktur und Beschaffenheit der Bildoberfläche. Zuweilen collagiere, schraube, niete oder nähe ich Dinge auf die Leinwand; auf meinen Papierarbeiten wird das Papier zum Material, oft treibe ich das Papier an die Grenze seiner Belastbarkeit.Doch scheue ich mich davor, zu sagen: "meine Arbeiten handeln vom Objektcharakter der Malerei", oder von : "Realismus", "Komposition", "Perspektive", "Farbauftrag", "Figuration-Abtraktion" oder was auch immer. Meine Bilder sind immer alles zugleich. Sie sind Möglichkeiten, "Welt" darzustellen, Bedeutungsebenen aufzuweisen.So wird eine Arbeit für mich interessant, wenn sich verschiedene Bedeutungsebenen durchdringen, wenn sozusagen verschiedene Welten zusammenkommen. Nicht immer lassen sich die Bedeutungsebenen direkt und unmittelbar ablesen. Oft braucht es Jahre, bis ich eine Arbeit richtig deuten oder schätzen kann. Nicht selten werden Arbeiten durch das Leben selbst bestätigt.

Ich versuche in meiner Kunst , die Sinne für das Zufällige zu schärfen. Wenn ich an einem Bild arbeite, bin ich bemüht, so weit wie möglich absichtslos zu bleiben. Wenn ich zuviel will, bin ich der Entstehung des Bildes im Wege. Zuwenig zu wollen, reicht natürlich auch nicht aus. Es geht um das rechte Maß. Immer wieder versuche ich, die Grenzen meiner Bildideen auszuloten, mit jedem Bild "neu anzufangen". So entstehen oftmals Bilder in meinem Atelier, welche in meinen Augen durchaus funktionierende Bilder sein könnten, jedoch eine gewisse Unsicherheit in mir hervorrufen. Dies ist ein sehr delikater Moment - wann ist ein Bild wirklich gelungen, wann übernehme ich sozusagen die volle Verantwortung für das Werk?

Auch wenn es sich banal anhören mag, ist es so, als kaufe man sich ein neues Kleidungsstück und stünde nun mit diesem vor dem Spiegel. Die entscheidende Frage ist: "Will ich so sein, will ich so gesehen werden?" So stehe auch ich mit prüfendem Blick vor dem Gemälde und frage mich: "will ich, dass dies ein Bild von mir ist?"

Folglich arbeite ich so lange an dem Bild, bis es "zu mir spricht", beseelt, eigenartig wird, will sagen : ein eigenes Leben zu besitzen scheint und ich es als direkten Ausdruck meiner Selbst erkenne.

Dieser Prozeß kann sehr schnell und mit großer Leichtigkeit vonstatten gehen oder aber er verläuft mühevoll und schwer.

Januar 2006