Eröffnung "The split inside" Max Diel - MAE Galerie 16.05.03
Redemanuskript von Dr. Ralf Hartmann

Liebe Irene, lieber Max,
meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Galerie MAE,

das Experiment Malerei geht weiter. Unzählige Male totgesagt, als nicht mehr gegenwartskonform eingestuft und als gnadenlos veraltet disqualifiziert, ist es heute mehr denn je Malerei, die in Galerien, Museen und Kunstvereinen ausgestellt wird. Wir sehen im Moment gerade auch in Berliner Ausstellungen zahlreiche Malerinnen und Maler und die unglaublich beschleunigte Verdrängung der Leinwände durch Projektionen, Screens und andere digitale Neuerungen scheint vorerst wieder einmal leicht ausgebremst. Es ist ja leider auch nicht so, daß man in den neuen Technologien zwangsläufig Neues zu sehen bekäme, während in der guten alten - analogen Malerei alles mehr als bekannt wäre. Und so betitelte Hans Christian Dany seinen Bericht über die jüngste Frankfurter Mammutausstellung "deutschemalereizweitausenddrei" vollkommen ins Schwarze treffend mit dem Warnhinweis: "Nie sagen, das kenn ich schon!".

Genau so fühle ich mich angesichts der neuen Bilder von Max Diel. Alle Versuche, passende Schubladen und Klassifizierungen für seine Malerei zu finden, werden angesichts einer überwältigenden Vielfalt von Ausdrucksformen, formalen Referenzen und inhaltlichen Bezügen brachial zerschlagen. Man geht mit den eigenen Malereikategorien vor diesen Arbeiten genau so konsequent baden, wie Diels drahtige Schwimmerinnen und Schwimmer selbst. Vielleicht kommt daher auch das deutliche Bedürfnis, sich mit seinen Themen und Figuren unmittelbar identifizieren zu müssen, was übrigens nicht so ohne weiteres gelingt. Wir sind zwar ziemlich bequem geworden, wenn es um Malerei geht, aber naiv sind wir schon lange nicht mehr: die Abstraktion haben wir erfolgreich hinter uns gebracht, die neue Prächtigkeit wieder in die Kramkiste der Geschichte zurückgepackt und die Wildheit der Wilden war letztlich nie einschläfernder als heute.

Da gibt es zwar immer noch Leute, die meinen, daß sie das, was sie jahrelang gemalt haben, unablässig weiter malen könnten und das Publikum ginge angesichts dieser Reproduktion der eigenen Reproduktion auch weiterhin vor Ehrfurcht in die Kniee. Aber diese Zeiten sind schon lange vorbei. Denn ich finde einfach keinen Anlaß mehr für Demut vor der Kunst, wenn ich die ständig gleichen Köppel-Himmel und -wolken, die ewigen Expressiv-Ladys von Elvira Bach oder Salomes plüschigen Endlosschwulst betrachte. Das Versprechen Malerei können solche Bilder kaum noch einlösen und meist ist es allein die exzentrische Künstlerpersönlichkeit, die noch irgendwie trägt. Da hat sich viel vom Mythos der Kunst auf den Mythos des Künstlers übertragen, aber spätestens seit Beuys ist auch das nicht mehr annähernd ein gegenwartskompatibles Modell. Mit anderen Worten: es ist gar nicht so einfach, mit Malerei noch irgend jemanden hinter dem Ofen vorzulocken und man muß schon außergewöhnlich undogmatisch mit einem der ältesten Medien der bildenden Kunst umgehen, um eine malerische Frischzellenkur für unsere medial abgestumpften Synapsen erfolgreich bewerkstelligen zu können.

Was kann denn schon ein einzelnes Bild ausrichten, wenn die ganze Welt nur noch eine einzige Ansammlung von Bildern geworden ist, und selbst die Kriegsberichterstattung aus dem Irak genau so schnell konsumierbar wird, wie die TV-Werbung für Zahnreinigertabletten. Da macht Malerei doch eigentlich keinen wirklichen Sinn mehr. Und dennoch können wir anhand der hier versammelten Bilder von Max Diel unsere Wahrnehmung von Malerei bestens schulen. Wir können uns wieder etwas von dem unmittelbaren Verhältnis zur Malerei zurückerobern, das uns offenbar irgendwann zwischen 1985 und 1995 verlorengegangen ist.

Max Diel hat alle die Klippen umschifft, die sich heute einem jungen Maler als scheinbar unüberbrückbare Hindernisse in den Weg stellen und er hat die theoretischen Vorbehalte gegenüber der Malerei äußerst kreativ ins Gegenteil gewandelt: Er hat ein kritisches Verhältnis zum Bildgegenstand entwickelt und malt nicht mehr eins zu eins das Wahrgenommene, sondern er setzt sich durchaus auch mit den Distributionsmechanismen von Bildern auseinander. Er bezieht sich auf symptomatische Ikonen unserer aktuellen Bildwelt, wenn er Motive von Pressefotos aufgreift, wenn er die populären Bildstrategien romantischer Paradiesverheißungen reflektiert oder wenn die unendlichen Standardfotos der Sportberichterstattung plötzlich zu isolierter Malerei im akzeptierten Leinwandformat werden. Dabei geht es aber nicht um Imitation des einen Mediums in einem anderen oder um die Anreicherung mit politischem Gehalt, sondern immer um die interpretierende und bild- sowie funktionsverändernde Anverwandlung.

Auf der anderen Seite hat Max Diel die Standards der Postmoderne mehr als verinnerlicht und zeigt uns, daß es nicht mehr allein darum gehen kann, den Zirkus der Stile, Techniken und künstlerischen Strömungen permanent weiter fortzuschreiben. Die Anleihen an Bekanntes sind so vielfältig, daß es keinen Sinn mehr machen würde, ihren Spuren nachzugehen. Denn was hätte man schon davon, daß man weiß wo etwas herkommt? Der pure Eklektizismus, der Kunst zu einem bildungsbürgerlichen Ratespiel werden läßt, ist leider noch immer das Ziel der Malerei einer sogenannten "Generation Klecks". Über diese sagt Hans-Christian Dany treffend (und ich zitiere noch einmal): "Es gibt den entsprechenden Überbau, der besagt, wir befänden uns in einem weiteren Rekonvaleszenzstadium nach den Schrecken und überhitzten Geschwindigkeitsmetaphern der Moderne. Zwischen den Resten zu schnell verschlungener Mahlzeiten therapieren sich die Enkel der Opfer und Patienten jetzt mit einer häppchenweise Aufarbeitung." Damit ist sehr treffend umschrieben, was man heute vielerorten in Malereiausstellungen zu sehen bekommt.

Bei Max Diel allerdings sieht man ganz und gar nicht nicht diesen selbsttherapeutischen Ansatz, der sich noch einmal behutsam aller entwickelten Möglichkeiten vergewissert, sondern man erkennt - trotz aller überzeugend kaschierten Vorsicht - vielmehr sein authentisches und ungetrübtes Verhältnis zur Malerei. Denn jenseits aller Referenzen auf die aktuellen Diskurse über das Medium, macht Diel sich unabhängig von Trends und Moden und erarbeitet sich kontinuierlich ein eigenes Aktionsfeld, in dem er sich glücklicherweise nicht weiter von ins und outs beeindrucken läßt. Täte man das, wäre der Wahnsinn vorprogrammiert und eine künstlerische Produktion schlechterdings kaum noch möglich.

Mit Bravour straft Diel deshalb alle die Lügen, bei denen Malerei nur noch als konsequentes Retro oder als theoriegesättigte Diskursschlacht im Video- und Fotodschungel durchgeht. Ohne Sinn und Probleme des verstaubten "Klassikers" populär durchzudeklinieren, malt Diel, was ihm vor die Palette kommt. Er interessiert sich für alles und er malt auch alles, meistens parallel und simultan und oft über längere Zeiträume hinweg. Dabei ist er sich seines postmodernen Eklektizismus mehr als bewußt und läßt ganz nebensächlich die absurd gewordenen Schulen, Überzeugungen und Dogmen von Künstlern und Kunsthistorikern miteinander tanzen. Das Spiel mit dem floralen allover des Jugendstils, wie hier in "Wonderland geht ihm genau so leicht von der Hand, wie die Thematisierung kultureller Differenzen im formalen Widerstreit von Gegenstand und Abstraktion. Wir sehen das in dem großformatigen Bild "The split inside", das dieser Ausstellung einen sinnfälligen Titel gegeben hat, den man gut und gerne auf Malerei generell anwenden kann.

Genau so geht der betuliche Fotorealismus mit den "Nixen" und "Mönchen buchstäblich baden und dem scheinbar unangreifbaren, weil astrakten Informel wird nur en passant eine parallele Stippvisite abgestattet. Wer Dogmen, Stile und Epochen braucht, um mit Malerei umzugehen, ist bei Max Diel an der falschen Adresse. Denn jeder Versuch der Einordnung wird vom bravourösen Einbruch der Farben und der Umkehrung alles Gewohnten torpediert.

Diel ist ein Vollblutmaler. Und statt dem Medium mit ewig weiterer und zermürbender Selbstkritik den endgültigen Garaus zu machen, läßt er sich immer wieder aufs Neue mit den Optionen von Farbe, Form und Inhalt ein. Vieles von dem wirkt spielerisch und leicht, scheint ganz spontan entstanden zu sein, aber - und das können Sie, meine Damen und Herren mir glauben: sich gegen die Doktrinen der eigenen Künstlerspezies und die Ignoranz der Theorie durchzusetzen, ohne der Verzweiflung nahezukommen, ist eine harte Hausaufgabe, die man Max Diels Bildern glücklicherweise nicht ansieht.

Was aus diesem Klassentreffen der Kunst entsteht, zeigt "the split inside" hier in der Galerie MAE. Es ist ein vitales Bild junger Malerei, die alle engmaschigen Theorien beiseite räumt, sich den Blick wieder freimacht und sich der unglaublichen Vielfalt des heutigen Lebens annimmt.

Für dieses Erlebnis danke ich zuallererst Max Diel und für die Einladung hier zu sprechen meiner Kollegin Irene Eikmeier. Ihnen danke ich für Ihre Aufmerkamkeit und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.