Max Diel
Bibliographie
Eröffnung "The split inside" Max Diel - MAE Galerie 16.05.03
Redemanuskript von Dr. Ralf Hartmann
Liebe Irene, lieber Max,
meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Galerie MAE,
das Experiment Malerei geht weiter. Unzählige Male totgesagt, als nicht mehr gegenwartskonform eingestuft und als gnadenlos veraltet disqualifiziert, ist es heute mehr denn je Malerei, die in Galerien, Museen und Kunstvereinen ausgestellt wird. Wir sehen im Moment gerade auch in Berliner Ausstellungen zahlreiche Malerinnen und Maler und die unglaublich beschleunigte Verdrängung der Leinwände durch Projektionen, Screens und andere digitale Neuerungen scheint vorerst wieder einmal leicht ausgebremst. Es ist ja leider auch nicht so, daß man in den neuen Technologien zwangsläufig Neues zu sehen bekäme, während in der guten alten - analogen Malerei alles mehr als bekannt wäre. Und so betitelte Hans Christian Dany seinen Bericht über die jüngste Frankfurter Mammutausstellung "deutschemalereizweitausenddrei" vollkommen ins Schwarze treffend mit dem Warnhinweis: "Nie sagen, das kenn ich schon!".
Genau so fühle ich mich angesichts der neuen Bilder von Max Diel. Alle Versuche, passende Schubladen und Klassifizierungen für seine Malerei zu finden, werden angesichts einer überwältigenden Vielfalt von Ausdrucksformen, formalen Referenzen und inhaltlichen Bezügen brachial zerschlagen. Man geht mit den eigenen Malereikategorien vor diesen Arbeiten genau so konsequent baden, wie Diels drahtige Schwimmerinnen und Schwimmer selbst. Vielleicht kommt daher auch das deutliche Bedürfnis, sich mit seinen Themen und Figuren unmittelbar identifizieren zu müssen, was übrigens nicht so ohne weiteres gelingt. Wir sind zwar ziemlich bequem geworden, wenn es um Malerei geht, aber naiv sind wir schon lange nicht mehr: die Abstraktion haben wir erfolgreich hinter uns gebracht, die neue Prächtigkeit wieder in die Kramkiste der Geschichte zurückgepackt und die Wildheit der Wilden war letztlich nie einschläfernder als heute.
Da gibt es zwar immer noch Leute, die meinen, daß sie das, was sie jahrelang gemalt haben, unablässig weiter malen könnten und das Publikum ginge angesichts dieser Reproduktion der eigenen Reproduktion auch weiterhin vor Ehrfurcht in die Kniee. Aber diese Zeiten sind schon lange vorbei. Denn ich finde einfach keinen Anlaß mehr für Demut vor der Kunst, wenn ich die ständig gleichen Köppel-Himmel und -wolken, die ewigen Expressiv-Ladys von Elvira Bach oder Salomes plüschigen Endlosschwulst betrachte. Das Versprechen Malerei können solche Bilder kaum noch einlösen und meist ist es allein die exzentrische Künstlerpersönlichkeit, die noch irgendwie trägt. Da hat sich viel vom Mythos der Kunst auf den Mythos des Künstlers übertragen, aber spätestens seit Beuys ist auch das nicht mehr annähernd ein gegenwartskompatibles Modell. Mit anderen Worten: es ist gar nicht so einfach, mit Malerei noch irgend jemanden hinter dem Ofen vorzulocken und man muß schon außergewöhnlich undogmatisch mit einem der ältesten Medien der bildenden Kunst umgehen, um eine malerische Frischzellenkur für unsere medial abgestumpften Synapsen erfolgreich bewerkstelligen zu können.
Was kann denn schon ein einzelnes Bild ausrichten, wenn die ganze Welt nur noch eine einzige Ansammlung von Bildern geworden ist, und selbst die Kriegsberichterstattung aus dem Irak genau so schnell konsumierbar wird, wie die TV-Werbung für Zahnreinigertabletten. Da macht Malerei doch eigentlich keinen wirklichen Sinn mehr. Und dennoch können wir anhand der hier versammelten Bilder von Max Diel unsere Wahrnehmung von Malerei bestens schulen. Wir können uns wieder etwas von dem unmittelbaren Verhältnis zur Malerei zurückerobern, das uns offenbar irgendwann zwischen 1985 und 1995 verlorengegangen ist.
Max Diel hat alle die Klippen umschifft, die sich heute einem jungen Maler als scheinbar unüberbrückbare Hindernisse in den Weg stellen und er hat die theoretischen Vorbehalte gegenüber der Malerei äußerst kreativ ins Gegenteil gewandelt: Er hat ein kritisches Verhältnis zum Bildgegenstand entwickelt und malt nicht mehr eins zu eins das Wahrgenommene, sondern er setzt sich durchaus auch mit den Distributionsmechanismen von Bildern auseinander. Er bezieht sich auf symptomatische Ikonen unserer aktuellen Bildwelt, wenn er Motive von Pressefotos aufgreift, wenn er die populären Bildstrategien romantischer Paradiesverheißungen reflektiert oder wenn die unendlichen Standardfotos der Sportberichterstattung plötzlich zu isolierter Malerei im akzeptierten Leinwandformat werden. Dabei geht es aber nicht um Imitation des einen Mediums in einem anderen oder um die Anreicherung mit politischem Gehalt, sondern immer um die interpretierende und bild- sowie funktionsverändernde Anverwandlung.
Auf der anderen Seite hat Max Diel die Standards der Postmoderne mehr als verinnerlicht und zeigt uns, daß es nicht mehr allein darum gehen kann, den Zirkus der Stile, Techniken und künstlerischen Strömungen permanent weiter fortzuschreiben. Die Anleihen an Bekanntes sind so vielfältig, daß es keinen Sinn mehr machen würde, ihren Spuren nachzugehen. Denn was hätte man schon davon, daß man weiß wo etwas herkommt? Der pure Eklektizismus, der Kunst zu einem bildungsbürgerlichen Ratespiel werden läßt, ist leider noch immer das Ziel der Malerei einer sogenannten "Generation Klecks". Über diese sagt Hans-Christian Dany treffend (und ich zitiere noch einmal): "Es gibt den entsprechenden Überbau, der besagt, wir befänden uns in einem weiteren Rekonvaleszenzstadium nach den Schrecken und überhitzten Geschwindigkeitsmetaphern der Moderne. Zwischen den Resten zu schnell verschlungener Mahlzeiten therapieren sich die Enkel der Opfer und Patienten jetzt mit einer häppchenweise Aufarbeitung." Damit ist sehr treffend umschrieben, was man heute vielerorten in Malereiausstellungen zu sehen bekommt.
Bei Max Diel allerdings sieht man ganz und gar nicht nicht diesen selbsttherapeutischen Ansatz, der sich noch einmal behutsam aller entwickelten Möglichkeiten vergewissert, sondern man erkennt - trotz aller überzeugend kaschierten Vorsicht - vielmehr sein authentisches und ungetrübtes Verhältnis zur Malerei. Denn jenseits aller Referenzen auf die aktuellen Diskurse über das Medium, macht Diel sich unabhängig von Trends und Moden und erarbeitet sich kontinuierlich ein eigenes Aktionsfeld, in dem er sich glücklicherweise nicht weiter von ins und outs beeindrucken läßt. Täte man das, wäre der Wahnsinn vorprogrammiert und eine künstlerische Produktion schlechterdings kaum noch möglich.
Mit Bravour straft Diel deshalb alle die Lügen, bei denen Malerei nur noch als konsequentes Retro oder als theoriegesättigte Diskursschlacht im Video- und Fotodschungel durchgeht. Ohne Sinn und Probleme des verstaubten "Klassikers" populär durchzudeklinieren, malt Diel, was ihm vor die Palette kommt. Er interessiert sich für alles und er malt auch alles, meistens parallel und simultan und oft über längere Zeiträume hinweg. Dabei ist er sich seines postmodernen Eklektizismus mehr als bewußt und läßt ganz nebensächlich die absurd gewordenen Schulen, Überzeugungen und Dogmen von Künstlern und Kunsthistorikern miteinander tanzen. Das Spiel mit dem floralen allover des Jugendstils, wie hier in "Wonderland geht ihm genau so leicht von der Hand, wie die Thematisierung kultureller Differenzen im formalen Widerstreit von Gegenstand und Abstraktion. Wir sehen das in dem großformatigen Bild "The split inside", das dieser Ausstellung einen sinnfälligen Titel gegeben hat, den man gut und gerne auf Malerei generell anwenden kann.
Genau so geht der betuliche Fotorealismus mit den "Nixen" und "Mönchen buchstäblich baden und dem scheinbar unangreifbaren, weil astrakten Informel wird nur en passant eine parallele Stippvisite abgestattet. Wer Dogmen, Stile und Epochen braucht, um mit Malerei umzugehen, ist bei Max Diel an der falschen Adresse. Denn jeder Versuch der Einordnung wird vom bravourösen Einbruch der Farben und der Umkehrung alles Gewohnten torpediert.
Diel ist ein Vollblutmaler. Und statt dem Medium mit ewig weiterer und zermürbender Selbstkritik den endgültigen Garaus zu machen, läßt er sich immer wieder aufs Neue mit den Optionen von Farbe, Form und Inhalt ein. Vieles von dem wirkt spielerisch und leicht, scheint ganz spontan entstanden zu sein, aber - und das können Sie, meine Damen und Herren mir glauben: sich gegen die Doktrinen der eigenen Künstlerspezies und die Ignoranz der Theorie durchzusetzen, ohne der Verzweiflung nahezukommen, ist eine harte Hausaufgabe, die man Max Diels Bildern glücklicherweise nicht ansieht.
Was aus diesem Klassentreffen der Kunst entsteht, zeigt "the split inside" hier in der Galerie MAE. Es ist ein vitales Bild junger Malerei, die alle engmaschigen Theorien beiseite räumt, sich den Blick wieder freimacht und sich der unglaublichen Vielfalt des heutigen Lebens annimmt.
Für dieses Erlebnis danke ich zuallererst Max Diel und für die Einladung hier zu sprechen meiner Kollegin Irene Eikmeier. Ihnen danke ich für Ihre Aufmerkamkeit und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
PRESSESPIEGEL
Badische Zeitung vom 03.06.2003
Kleine Tupfer an den Nasen
Ausstellungsrundgang: Diel
Ein Blick aus der Vogelperspektive: Drei Dalmatiner haben es sich auf einem Teppich gemütlich gemacht. Eine schöne, aber auch banale Szene - für Max Diel wird sie zum Auslöser für Malerei. Der in Freiburg geborene und in Berlin lebende Künstler verwandelt das schwarzweiß gepunktete Fell der Hunde in ein großes, jugendstilartiges Ornament. Die umspringenden Positiv- und Negativformen negieren die Räumlichkeit der Bildanlage und treten in heftige Konkurrenz zu dem farbigen, sich perspektivisch verkürzenden Teppich. Das Resultat ist eine verwirrende Kombination von Fläche und Raum. Diel, dessen Arbeiten unter dem Titel "Bildfindung" derzeit im Freiburger SWR-Studio ausgestellt sind, arbeitet bewusst mit stilistischen Brüchen. Es wäre daher vorschnell, seine Malerei als realistisch einzustufen. Welche Abstraktionskraft sein Blick auf die Wirklichkeit bereithält, zeigt eines der stärksten Bilder, die "Nonnen". Nur kleine Tupfer von Inkarnat an Händen und Nasen binden das titelgebende Motiv ans Figürliche. Der Wechsel von horizontal und vertikal geführten Parallelen verwebt die Bildoberfläche, und der mutig gewählte Ausschnitt wird durch eine ausgeprägte Bildspannung belohnt. Ob Diel einen Strumpf, Schwamm oder Eimer in Szene setzt - durch die Magie der Malerei verwandeln sich seine Objekte auf der Leinwand und nehmen eine neue Wirklichkeit an.
KATALOGTEXT ZUR AUSSTELLUNG "IM ZWIELICHT", BONN 2002
Autor: Michael Schneider
IM ZWIELICHT
GEDANKEN ZU WERKEN VON MAX DIEL
Max Diel malt gegenständlich und ungegenständlich. Er verbindet seine Motive einer eigenartigen Wirklichkeit mit einer Malweise, die dem sogenannten radical painting, der sich selbst genügenden, abbildungsfreien Malerei, entlehnt scheint. Peinture und surface, Farbsetzungen und materielle Spuren an der sichtbaren Oberfläche wirken häufig zusammen; viele Detailbetrachtungen seiner Werke vermitteln den Anschein, nicht dem Diktat einer dem Motiv entsprechenden Form- und Farbsprache entsprungen zu sein. Dabei ist mit surface nicht die ebenfalls reizvolle grobe Materialmontage von verschiedenen fragmentarisierten und neu zusammengesetzten Bildträgern vieler seiner Arbeiten der letzten Jahre gemeint. Diese sind in ihrer Tektonik auf den ansonsten zweidimensionalen Werken und durch die Tatsache , daß sie ab und an das Rechteck des eigentlichen Bildformates durchbrechen, offensichtlich.
Die stillen und besonders subtilen Momente geben Auskunft über Diels Malhaltung, die sich nicht in plakativen Darstellungen erschöpft, sondern die ambivalente Stimmungen anspricht. Selten beschäftigt sich Max Diel mit der unmittelbaren Wirklichkeit. Auslöser für seine Bildideen sind bereits gefilterte Vorlagen. Sensibel reagiert der Künstler auf scheinbar flüchtiges Bildmaterial und bewahrt für ihn eindrucksvolle Fotos, Postkarten und sonstige gedruckte Abbildungen auf. Aus diesem Fundus schöpft er, nicht um zu kopieren oder schlicht Gefundenes in Malerei zu transformieren, sondern um neue Inhalte zu kreieren.
Die Ergebnisse bleiben dabei häufig ausschnitthaft. Personen und Gegenstände sind von den Bildgrenzen Diels überschnitten. Seine starke Beziehung zum Medium Film schlägt sich nieder. Während einer Filmvorführung wird zwangsläufig die Handlung verfolgt, ohne daß ein zwischenzeitliches Innehalten möglich ist. Max Diel hält ihn an, den Film der Realität. In der Bewegung erstarrt, wie eingefroren wirkt sein Figurenpersonal und die umgebende Dingwelt. Wie in den Film Stills des klassischen Hollywoods, die allgemeinhin nicht aus der jeweiligen Szene kopiert wurden, sondern nachgestellte kunstvoll arrangierte Aufnahmen darstellen, wird die Handlung von Diel auf wesentliche Momente verdichtet und agierende Personen in wichtigen, teils dramatischen Szenen und Verstrickungen erfaßt. Der Moment, in dem das Bild zum Objekt wird und der Blick auf ihm zur Ruhe kommt, bezeichnet den wichtigen Übergang vom Beobachter zum Betrachter. Es dominiert der Eindruck, erstmals ausreichend Zeit zur Verfügung zu haben, um eine Szenerie eingehend und konzentriert zu studieren. Keine Nuance der Einstellung geht verloren, sämtliche Zwischentöne sind erfahrbar und analysierbar.
Im Leben wie im Film hinterlassen tiefe Erlebnisse und starke Eindrücke bei den Betroffenen Nachbilder. Manchmal bleiben sie farbig und kräftig, manchmal werden sie grisailleartig und fahl, manchmal sind sie scharf und konturiert. Solche Nachbilder bringt der Künstler in seine Werke ein und findet damit ein adäquates Medium, das zwischen Kunst und Leben zu vermitteln vermag. Dabei wird auf die Eindeutigkeit etwaiger Bildaussagen bewußt verzichtet. Es ist die innere Resonanz zu einem Bild, die sich als Prozeß im psychischen, unbewußten Bereich abspielt, die Max Diel sucht. Und auf dieser Suche begleitet ihn der Betrachter.
Das Bild "Rettung", 2001 widmet sich dem zunächst unverdächtigen, banalen Motiv einer Badeszene. In seichtem Wasser stehend, beugt sich ein Mann mit vorgestrecktem Arm zu einem Schwimmreif, der in extremer Nahsicht die untere Hälfte des Hochformates einnimmt. Trotz des sommerlich anmutenden Handlungsraumes, des blauen Wassers und nur leicht weiß bewölkten Himmels, ist eine latente Bedrohung spürbar. Im Gegenlicht zeichnen dunkle Schlagschatten die Figur, deren Gesicht bis auf ein nicht zu deutendes Lächeln kaum zu erkennen ist. Der Schwimmreif verliert, erfaßt man seine rot-weiße Farbgebung, seine Spielzeug-Funktion. Sieht man in ihm einen Rettungsring, drängt sich ein veränderter Assoziationshintergrund auf, der durch den umgebenden Strudel, eine Art Sog des Wassers, unterstützt wird. Die Frage, ob Untergang und Depression, oder Rettung und Heilung hier thematisiert sind, läßt sich nicht beantworten. Sie wird weiter potenziert, indem die Perspektive des Betrachters in etwa der eines Kleinkindes entspricht, welches den Reif überproportional groß und den sich nähernden Mann in Froschperspektive wahrnimmt. Es besteht ein Dialog zwischen dem abgebildetem Mann innerhalb des Bildes und dem Betrachter außerhalb des Bildes. In der Ambivalenz kann es keine Eindeutigkeit geben; so wissen wir nicht, ob sich die unklare, verschwommene Hand zum Reif oder zum Betrachter, dem imaginären Kind hin ausstreckt. Die Oberfläche des Bildes verhält sich wie ein Spiegel, der zwei Räumlichkeiten voneinander trennt.
Häufig spielen die gemalten Szenen Max Diels am Wasser oder mit dem Wasser. Die sich ständig bewegende Wasseroberfläche spiegelt zwar reale Formen, gibt diese jedoch auch verzerrt wieder. Frühe Beispiele aus diesem Themenkreis, wie etwa „Am Wasser“, 1993, oder „Unter Wasser“, 1996, lösen die gegebenen Figuren zu einem großen Teil auf. Der Künstler entzieht seinen Arbeiten mit Hilfe dieses Leitmotives und seiner malerischen Umsetzung Eindeutigkeit, fordert das spekulative Schauen von sich und vom Rezipienten. Vergleichbare aktuelle Werke, wie „An der Reling“, 2001, und „Matrose“, 2001, behandeln das Motiv Wasser in leicht veränderter Weise. Gleichsam bewegt und den gewählten Bildausschnitt dominierend läßt es den Figuren mehr Autonomie. Lediglich auf dem Matrosenanzug und dem Kleid der Frau setzt Diel das Spiel der Wellen in doch deutlich konturierterer Trennung fort. Bei der Papierarbeit „Matrose“ ist, wie bei weiteren Werken auf Papier, die Unebenheit des Trägers zudem bewußt eingesetzt und bewirkt einen objekthaften Charakter. Verloren sich frühere Gestalten in der See, wirken sie nunmehr eher beseelt. Auffällige Gemeinsamkeit ist auf allen genannten Beispielen der dem Betrachter abgewandte Blick, der sehnsüchtig in die verborgenen Ferne schweift.
Ein anderes, konstant wiederkehrendes Motiv, das des Schwans bzw. der Schwäne, ist ebenfalls mit der Darstellung von Wasser verknüpft. Allgemein gilt der Schwan als Sinnbild von Reinheit, Unschuld und Anmut. Diel erweckt den Anschein, gerade Arbeiten vor diesem symbolischen Hintergrund mit formalen Grundsatzfragen zu verknüpfen. Das maltechnische Vorgehen einer Anlage der Farben weiß in weiß, die variierende Haltung der einzelnen Tiere und ihre Zusammensicht in kleinen Gruppen üben einen großen Reiz aus. Es entstehen nahezu abstrakte Farbfelder, die eine Identifikation des eigentlichen Motives oft erst bei konzentrierter Betrachtung ermöglichen, und eine Flächigkeit, die im Vergleich zu den extremen Tiefenperspektiven anderer Bilder deutlich auffällt.
Besonders hier wird eine verdichtete Gleichzeitigkeit von freier und figurativer Malerei vorgeführt, die man in Verbindung mit dem doch eindeutig vorbelasteten Schwanen-Thema, als Indiz für Diels unschuldigen Umgang mit Malerei an sich begreifen kann. Auf die geführten Diskussionen über die potentielle Ablösung der Malerei als relevantes zeitgemäßes Medium läßt sich der Künstler bewußt nicht ein. Jenseits eines wie auch immer gearteten Rechtfertigunsdranges nimmt er sich die Freiheit zur Unschuld und schafft Bilder, deren Ehrlichkeit erspürbar ist. Seine psychische Konstitution, die wesentlich am Entstehen seiner Arbeiten beteiligt ist, ist nicht nur Teil des Schaffensprozesses, sondern ein maßgeblicher Inhalt, der keiner weiteren Begründung bedarf.
Läßt sich der Betrachte darauf ein, trifft er im illusionistischen Zwielicht Max Diels Malerei nicht nur den Künstler im Bild, sondern wie in einem milchigen Spiegel, sich selbst.
PRESSESPIEGEL
Kölner Stadtanzeiger vom 08.02.2002
Seite: Die Kultur-Seite Autor: Jürgen Röhrig
ENTHUSIASMUS FÜHRTE ZUM ERFOLG
Das Gespräch über Malerei steht für Michael Schneider im Mittelpunkt
Für eine Schar von Kunstsammlern aus Bonn, dem Rhein-Sieg-Kreis und darüber hinaus hat die Galerie von Michael Schneider in Bad Godesberg den Status eines wichtigen Geheimtipps. Der junge Volkswirt und Kunsthistoriker (Jahrgang 1969) hat sich vor sechs Jahren, noch als Student, selbstständig gemacht. Schneider widmet sich der Vermittlung von Malerei; den Schwerpunkt legt er auf Abstraktion. Am Beginn des Experiments stand im Oktober 1995 die Präsentation von Werken der Sankt Augustiner Künstlerin Karin Eberlein in deren Atelier am Niederberg. Danach erst, noch im selben Jahr öffnete Schneider seine Räume an der Hohenzollernstraße, zeigte zum Auftakt Bilder von Detlef Beer, der im vorigen Jahr den Bonner Kunstpreis gewann.
Seitdem überrascht der One-Man-Betrieb regelmäßig – in sechs bis sieben Ausstellungen jährlich – mit Bildern überwiegend junger abstrakter Malerinnen und Maler aus Deutschland, Skandinavien und den USA. Raven Schlossberg, Sinn Guttormsen, Rainer Groß und Degenhard Andrulat sind Namen, die Beobachtern der Kunstszene neuerdings Begriffe sind – nicht zuletzt wegen des intensiven Einsatzes von Michael Schneider, Die hohe Qualität der Arbeiten zeigt, dass hier jemand mit einem guten Gespür, einen sicheren Auge das Galerieprogramm macht. Aus dem Stadium des Experimentierens ist das Projekt heraus; „Zeitgenössische Kunst. Galerie Schneider“ kann sich mit den Etablierten der Branche auch in Köln, Düsseldorf oder Frankfurt messen.
Erste Erfahrungen hatte der aus Düren stammende Kunst-Enthusiast als Assistent in der Bonner Galerie Steinmetz gesammelt. „Das Vermitteln liegt mir das merkte ich damals, es macht Spaß – und ich habe auch verkauft.“ Mit der Selbstständigkeit ging der Student ein Wagnis ein, zumal er sich keine Durststrecke erlauben konnte – „es musste sich von Anfang an rechnen“. Er hat es geschafft; viele Teilnehmer der Premiere zählen heute zu seinen Stammkunden, die zur einen Hälfte aus dem Rheinland kommen zur anderen aus der übrigen Republik und dem Ausland.
Seine Magisterarbeit schrieb er über einen „seiner“ Künstler, Rainer Groß. Es ist Schneiders Prinzip, nur mit Malern zu arbeiten, die er persönlich gut kennt und deren Werke ihn selbst begeistern. Er begleitet sie, zwölf an der Zahl, bei ihrer Arbeit in regelmäßigem Kontakt. Außer im Haus an der Hohenzollernstraße präsentiert Schneider Kunst auf internationalen Messen, wie voriges Jahr in Brüssel und im kommenden März in Zürich, wo auch Arbeiten von Karin Eberlein zu sehen sein werden. Die Messeauftritte sind für den kleinen Betrieb mit hohem finanziellen Risiko verbunden.
Das inhaltliche Interesse stellt Schneider in den Vordergrund: „Ich hoffe den Eindruck zu vermitteln, dass jeder Besucher der Galerie wiederkommen darf, auch wenn er nicht kauft“. Und jeder Gast findet in ihm einen Gesprächspartner. Seine Räume sieht er als Bühne, auf der er Werke, die ihn ästhetisch reizen, seinen Mitmenschen präsentiert – wie zur Zeit Malerei von Max Diel, einem Berliner Jahrgang 1971, der – und das ist eine Ausnahme in Schneiders Programm – Räumlichkeit und Gegenständlichkeit mit Abstraktion verbindet. Diel arbeitet Ornamente und Strukturen aus seinen mit Figuren bestückten Bildszenen heraus und rückt dies in oft sehr suggestive Perspektiven.
Typischer für das Galerie-Programm sind die informellen Werke von Karin Eberlein, die im Herbst wieder diese Bühne betreten sollen. Die Augustiner Malerin und Bildhauerin: „Die Zusammenarbeit mit Michael Schneider ist für mich ein Glücksfall.“ Der junge Kunst-Impresario stifte fruchtbare Kontakte auch der Maler untereinander. Konkurrenz trete dabei in den Hintergrund.
PRESSESPIEGEL
BONNER GENERALANZEIGER vom 16.01.2002
Autorin: Christina zu Mecklenburg, Seite 15 (Feuilleton)
MAX DIELS MEISTERHAFT GEMALTE THRILLER
GALERIE SCHNEIDER. Der Blick fällt auf ein Stück Wirklichkeit, haftet am Attribut einer Person, das wie ein Schlüsselmotiv einer mysteriösen Bildwelt anmutet: Aus dem massiven Faltengebirge des Anoraks ragt eine Landschaftsminiatur hervor; dort ist ein Schemel, da ein Handschuh oder Rettungsring der Blickfang. Und dennoch: Wahrnehmung und Bildergründung geraten angesichts der Ölgemälde von Max Diel unweigerlich ins Straucheln. Andererseits setzt deren suggestive Atmosphäre die Imaginationskraft in Gang, schürt eine Fülle von Spekulationen. Unter dem Deckmantel einer scheinbar weitgehend figurativen Darstellung tarnen sich Extremsituationen mit melodramatischem oder albtraumartigem Anstrich.
Ausschnitthaft präsentierte Episoden sind verknappt zu Schrecksekunden, die aus Psychothrillern oder Fantasy-Filmen herausgelöst sein könnten. Auf den Nesselwänden des in Berlin lebenden Freiburgers stauen sich existenzielle Nöte, emotions- und affektgeladene Zustände wie Gewalt, Ohnmacht, Wehrlosigkeit, Angst, Unsicherheit oder Verfolgungswahn.
Ursprünglich bezieht das von Michael Schneider entdeckte Jungtalent (Jahrgang 1971) die Anregungen aus Fotomaterialien, diese werden in jeder Hinsicht beschnitten. "Im Zwielicht", Motto der ersten Einzelschau des Meisterschülers (HDK Berlin), entfalten sich eine kontraststarke Lichtdramaturgie sowie ein spezielles koloristisches Klima. Diel geht es in erster Linie um jene brisante "Zwischenbalance", das Ineinandergreifen von figurativer und reiner Malerei. Der Maler verfügt über eine frappierend poetische, lebendige Formen- und Farbensprache. Wenn er seine Matrosen (Papierarbeiten/Collagen) auf See schickt, setzt er gleichzeitig eine malerische Odysee in den Farben Blau, Weiß und Grau in Bewegung.
PRESSESPIEGEL
BONNER RUNDSCHAU vom 8. Februar 2002
Autorin: Heidrun Wirth, Seite Kultur
NIEMANDSLAND DER MALEREI
Ausstellung Max Diel in der Galerie Scheider
Im Zwischenbereich ist er zu Hause, der 1971 geborene Künstler Max Diel. Er ist nicht leicht einzuordnen, denn er siedelt irgendwo zwischen realer Wirklichkeit und fiktiver Mache in Kinobildern oder Illustrierten, zwischen Figuration und Abstraktion, zwischen Absicht und Zufall, zwischen spontanem Pinselstrich und sorgsam überlegter Bildkomposition. So erobern diese Ölbiler von Max Diel ein Niemandsland der Malerei, wie in der Galerie Michael Schneider zu sehen.
Dabei erinnern manche wie ausgewischt erscheinende Gesichter oder Bildpartien auch an Francis Bacon, den großen englischen Maler. Immer wieder ist es das Wasser in seinen schwankenden, spiegelnden Reflexen, das den Künstler fasziniert. Gleichermaßen weiß er zu iritieren, wenn er den blauen Ärmel einer an der Reling stehenden Frau unmittelbar in das dahinter befindliche Wasser so übergehen lässt, dass jede Trennschärfe schwindet. Seine Vorlagen sind Bilder aus Filmstreifen, so genannte Stills oder auch Fotografien aus Illustrierten. Er braucht das Bild, in dem möglicherweise Geschichten erzählt werden, doch er braucht zugleich die Distanz, die ihm gestattet, den Bildausschnitt so zu verlegen, dass die Köpfe abgeschnitten und die Umgebung verunklart wird. So laden diese Ölbilder sich auf mit Ungesagtem, mit Geheimnisvollem, das hinter dem Banalen zu ahnen ist. Und man mumaßt, dass der Wellenschlag des Wassers auch dazu da ist, die herausgelösten Details zu einem völlig abstrakten Spiel werden zu lassen, in dem sich Formen verdichten oder beruhigen, konkretisieren oder eben verschwimmen, daher der so schön passende Titel "Im Zwielicht".
Der 1971 in Freiburg geborene Max Diel stellt zum dritten Mal in der Galerie Schneider aus. Der Künstler studierte vier Jahre an der Gerrit-Rietveld-Akademie in Amsterdam und wechselte dann an die Kunsthochschule nach Berlin, wo er Meisterschüler wurde.
PRESSESPIEGEL
BONNER GENERALANZEIGER vom 5.4.2000
Seite: Feuilleton Autorin: Christina zu Mecklenburg
GEHEIMNISVOLLE BEGEBENHEITEN IM TREPPENHAUS
Ausstellung: "Songs for boys and girls" : Max Diel und Raven Schlossberg in der Galerie Schneider
Gleich zwei Ausstellungen, die den Betrachter auf lebhafte Weise in eine Konfrontation mit jungen Positionen aktueller Malerei verwickeln, sind derzeit in der Galerie Michael Schneider zu sehen. "Songs for boys and girls" macht auf neue Bildformen bei der Amerikanerin Raven Schlossberg und dem gebürtigen Freiburger Max Diel aufmerksam. Der Meisterschüler von Kuno Gonschior läßt den Betrachter erst einmal vermuten, er habe seine "Treppenbilder" als ortsbezogene Installation entworfen. Aber die Treppe, Tatort von dramatischen Begegnungen oder mysteriösen Begebenheiten, so stellt sich heraus, ist nur ein Angelpunkt im Mythos Alltag, der Diel schon seit geraumer Zeit fasziniert. Er folgt ihm auf einem Streifzug durch die Straßen; er sieht ihn aufscheinen in Fotos und in Filmstills oscarprämierter Dauerbrenner. Bei Schneider verschachtelt sich nun die Schau im Treppenhaus mit der konkreten Bildinszenierung. Diels Montage operiert auf mehreren Ebenen. Plastisch sichtbar wird sie im offen gehaltenen Rahmen, der das Einfügen einzelner Bauteile aus Spanholz erlaubt; erreicht wird hierdurch die Dreidimensionalität des verhalten farbigen Bildobjektes. Darüber hinaus arbeitet Diel mit Rückenfiguren, nicht erkennbaren oder nur ausschnitthaft vorgeführten Gestalten. Abstrakte Versatzstücke signalisieren eine metaphorische, imaginative Ebene. Diels gestischer Farbauftrag korrespondiert mit der Dramatik seiner dargestellten Sujets ("Flucht" 1999, "Treppe und Leichnahm", 1998).
Bei Schlossberg führen das spontane Agieren mit Farbspray und die mit dem Stohhalm geträufelte Farbe in die abstarte Bildwelt kalligraphischer Chiffren. Bisweilen ahnt man die Silhouette figürlicher Elemente, Umrisse, die auf die Präsenz von Schlossbergs Leitmotiv des ambivalenten Clowns schließen lassen. Im dicht gestalteten Bildraum finden sich verstreute Zitate der in New York lebenden Künstlerin: kryptische Piktogramme, Motive aus Modekatalogen, Poesiealben, Werbung und die charakteristischen Zeitungsschnipsel aus Chinatown. Forsch und fast gnadenlos werden diese als Ornament oder Dekor einem vehementen Malprozeß untergeordnet.
PRESSESPIEGEL
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.04.2000
Seite: Kunstmarkt Autorin: Susanne Henle
GAS GEBEN: JUNGE KUNST BEI SCHNEIDER IN BONN
Wer an der künstlerischen Kraft der "Generation Golf" zweifelt, kann sich bei Michael Schneider in Bonn Zuversicht holen. Die beiden Künstler, die der einunddreißigjährige Galerist zur Zeit präsentiert, sind nach 1970 geboren: Raven Schlossberg 1973 in Kalifornien, Max Diel 1971 in Freiburg. Beide vertreten individuelle, wiedererkennbare Positionen jenseits konzeptueller Klimzüge und marktgängiger Sensationen. Beide arbeiten an einer bildnerischen Dichte, die das visuelle Gedächtnis über den Tag hinaus belebt. Raven Schlossberg bietet den Augen eine Entdeckungsreise. Auf weichen, bedruckten oder gesteppten Kunststoffträgern überlappen und durchdringen sich eingeklebte Bilder und locker gezeichnete Elemente. Die Augenreise führt in die Vergangenheit: kindliche Sehnsüchte werden geweckt, da Szenen aus alten Bilderbüchern und Illustrierten auftauchen, doch bleiben sie Bruchstücke mit verborgenem Sinn. Überall schiebt sich die gezeichnete Figur eines bemützten Clowns dazwischen. Dieser ironische Betrachter vervielfältigt sich quälend, vertausendfacht sich zu dicht an dicht gedrängtem Gewimmel. Schlossbergs vibrierende, bunte, zugleich lockende und abschreckende Bilderwelt wird genährt durch Eindrücke aus den Straßen New Yorks, wo die Künstlerin lebt. Während dies bereits die zweite Einzelausstellung Schlossbergs bei Schneider ist, stellt Max Diel zum ersten Mal dort aus. Auch seine großformatigen, figürlichen Szenen verschränken Äußeres und Inneres. Zwei "Treppenbilder" Diels durchbrechen das Rechteck, springen mit eincollagierten - das heißt in diesem Fall ausgesägten und angeschraubten - Holzplatten in den realen Raum. Die gemalte Treppe setzt die reale Treppe fort, auf der der Betrachter steht als Zeuge einer spannungsvollen Szenerie. Diels Figuren sind wie aufgeladen mit Bewegung; Emotionen teilen sich mit. Intensität ist das Ziel dieses Malers.
Unsere Abbildung zeigt seine Montage "Divorce (Scheidung)" von 1998 (4600 Mark) Michael Schneider hat seine Galerie in Bad Godesberg vor fünf jahren gegründet - weit ab vom Kölner Vernissagerummel also. Doch seine kontinuierliche Arbeit macht sich inzwischen bezahlt. Anschubfinanzierung für die ganz jungen Künstler liefern Arbeiten bereits "durchgesetzter" Kollegen. Seine wichtigste Aufgabe sieht Schneider in der klassischen Galeristenarbeit: den noch unbekannten Künstlern, meist sind es Maler, ein erstes Forum zu bieten. (Die Mischtechniken auf Vinyl von Raven Schlossberg kosten bis zu 11 300 Mark, ihre Papierarbeiten bis 750 Mark. Die "Montagen" von Max Diel kosten bis zu 4600 Mark, seine Zeichnungen bis zu 520 Mark. (Bis 23. April)
SUSANNE HENLE